Die Lebensmittelindustrie darf selbst entscheiden, was sie tut, um weniger Zucker, Salz und Fett in ihre Produkte zu packen. Lediglich bei der Umsetzung von Klöckners Plan zur Zuckerreduktion soll ein Beraterkreis aus verschiedenen Fachgesellschaften helfen. Er soll der Ernährungsministerin zufolge zeigen, „dass wir es ernst meinen“ – die Deutsche Diabetes Gesellschaft lehnt die Teilnahme ab: „Praktisch wirkungslos“ sei das Gremium.
Der Plan des Ernährungsministeriums
Fast jede zweite Frau, mehr als jeder zweite Mann und jedes siebte Kind in Deutschland sind übergewichtig. Es ist klar, dass etwas getan werden muss, um das Übergewicht aufzuhalten – nur, was das überlässt die Ernährungsministerin Julia Klöckner den Unternehmen: In ihrer groß angekündigten „Nationalen Reduktionsstrategie“ dürfen sich die Hersteller auf freiwilliger Basis selbst aussuchen, wie viel Zucker, Salz und Fett sie in ihre Produkte packen wollen. Ein Beraterkreis aus verschiedenen Fachgesellschaften sollte die Umsetzung des Plans begleiten. Zu den Aufgaben des Gremiums gehört es laut Ministerium „Transparenz herzustellen“ und – so heißt es – die Mitglieder „können“ Hinweise und Empfehlungen abgeben.
Diabetes Gesellschaft steigt aus Berater-Gremium aus
„Mit dem Begleitgremium, das sich aus Fachleuten rund um die Ernährungsfragen zusammensetzt, zeigen wir, dass wir es ernst meinen“, erklärte Klöckner. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) sollte eigentlich Teil dieses Gremiums sein, hat ihre Teilnahme nun aber abgelehnt. Der Kreis sei „praktisch wirkungslos“, heißt es in einer Presseerklärung. Die DGG kritisiert, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in dem Beraterkreis kaum berücksichtigt werden. Das ist aber nicht das einzige Problem, dass die Experten sehen: „Der deutsche Sonderweg, eine Reduktion nur freiwillig und im Konsens mit der Industrie zu erreichen, muss bereits jetzt als gescheitert angesehen werden“, sagte der DDG-Präsident Professor Dr. Müller-Wieland. Denn die Ziele blieben bislang weit hinter dem zurück, was aus wissenschaftlicher Sicht notwendig wäre, um den Anstieg von Übergewicht und Diabetes in Deutschland zu stoppen.
Was die Ernährungsministerin ernst meint, ist für Experten ein Witz
Die Ernährungsministerin will mit dem Gremium zeigen, dass sie es ernst meint mit der Zuckerreduktion – für die Diabetes-Experten hingegen ist es ein schlechter Scherz. Denn die angepeilte Verringerung ist viel zu wenig, um tatsächlich etwas zu bewirken. Laut Süddeutscher Zeitung soll sich der Beraterkreis sogar nur einmal im Jahr für zwei Stunden treffen. Das erklärte Ziel beider Seiten ist es die gesunde Wahl zur leichten Wahl zu machen: Dem Ernährungsministerium reicht dafür eine freiwillige Reduktion der Industrie, die DDG fordert eine verständlichere Kennzeichnung für Lebensmittel und Kindern vor Werbung für ungesunde Produkte zu schützen. „Wir erwarten, dass hier der Schutz der Gesundheit Vorrang hat vor den wirtschaftlichen Interessen der Lebensmittelindustrie“ erklärt DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.
Foodwatch begrüßt die Entscheidung der DGG
Die Verbraucherschützer von foodwatch springen der DGG zur Seite: Sie begrüßten ihre Entscheidung und fordern verbindliche Maßnahmen gegen Übergewicht statt einer freiwilliger Selbstverpflichtungen mit der Wirtschaft. „Die Lebensmittelindustrie ist nicht Teil der Lösung, sondern Kern des Problems. Coca-Cola, Ferrero & Co. haben kein Interesse daran, eine gesunde Ernährung zu fördern – sie verdienen ihr Geld mit Zuckerbomben“, so Oliver Huizinga von foodwatch.