Die Welt hat gestern und heute auf die Wahl in den USA geschaut und ist schockiert. Die Wahl hat jemand gewonnen, der sich im selbsternannten Land der Demokratie genau gegen diese stellt. Jemand der sich im Land der Freiheit gegen eine freie Entfaltung der Menschen ausspricht. Was tun?
Ein Sprichwort sagt, wenn der Wind der Veränderung weht, kann man entweder Mauern oder Windmühlen bauen. Man kann sich einer modernen Welt konstruktiv entgegen stellen und die Kräfte für das Gute nutzen oder die Augen verschließen und sich in eine nie mehr wieder kommende alte Zeit zurück sehnen. Die USA haben sich gestern mehrheitlich für den zweiten Weg entschieden. Zwar wird die Realpolitik nicht ein genaues Abbild bejubelter Hetzreden werden können, jedoch sollten derartige Entwicklungen dazu anregen sich Gedanken zu machen.
Die USA sind aber nicht die einzigen, die sich in eine alte Welt zurück sehnen. Seit Jahren schauen wir mit besorgten Blicken in Richtung Russland oder jüngst in die Türkei. Auch in Frankreich und Großbritannien machen sich konservative nationale Kräfte breit. Großbritannien und die USA sind dabei Paradebeispiele dafür, dass sich ein Generationswechsel ankündigt, dieser jedoch kein ausreichendes Gehör findet. Analysen der Wahlen zeigen, unter der jungen Bevölkerung hätte es weder einen Brexit, noch einen bösen Clown an der Spitze einer Weltmacht gegeben. Die Vergangenheit hat in beiden Fällen für die Zukunft entschieden!
Hat sich die Welt vielleicht zu schnell verändert? Haben die liberalen Werte zu große Ängste unter Menschen geschürt, welche sich der neuen Zeit nicht gewachsen fühlen. Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten schneller verändert als je zuvor. Was für junge Geister als selbstverständlich angesehen wird, das stellt eingefahrene Gedankenmuster unter eine harte Bewährungsprobe. Für sie scheint nichts mehr zu funktionieren wie einst. Die Zeiten überholen jene, welche sich nicht schnell genug anpassen können. Es sind genau jene Kräfte, die sich jetzt daran machen die Zeit zurück zu drehen.
Jeder der jetzt aber die USA und die Zustände in der Welt mit Skepsis betrachtet und nicht verstehen kann was passiert, der sollte unser eigenes Land in den Fokus nehmen. Wir sind von ähnlichen Verhältnissen nicht so weit entfernt, wie es vielleicht den Anschein hat. Auch bei uns gibt es ebenso politische Kräfte, die sich sehr erfolgreich dem Populismus hingeben und damit ein friedliches multikulturelles Leben in Gefahr bringen. Auch bei uns sind die nächsten Wahlen nicht so weit entfernt und auch bei uns schreiten extreme Kräfte auf dem sicheren Weg in die Parlamente. Wer also die USA kritisiert, dem schadet ein Blick vor die eigene Haustür nicht.
Was tun? Der erhobene Zeigefinger wird es nicht richten, er hat es noch nie geschafft. Wut über Geschehenes macht uns nicht besser, als jene gegen die sich die Wut richtet. Es ist vielmehr an der Zeit Brücken zu bauen, um jene mitzunehmen, welche die Gesellschaft verloren hat. Der Wunsch nach Vergangenheit resultiert aus einer fehlenden Hoffnung in eine lebenswerte Zukunft. Es ist die Angst, welche viele Menschen hier und anderswo antreibt und auf einfache Wahrheiten vertrauen lässt. Unsere Welt ist aber nicht mehr so einfach und somit können eindimensionale einfache Lösungen nur mehr unwahrscheinlich ans Ziel führen.
Wir müssen helfen, die vielen Augen wieder zu öffnen, um sie mit den guten und schönen Seiten der neuen Welt zu konfrontieren. Kein Schwuler, Schwarzer oder Muslim ist von Grund auf böse oder eine Gefahr für unser Zusammenleben. Wer das jedoch nicht selbst erlebt hat, der wird weiterhin mit Skepsis und Argwohn auf die neue Umwelt blicken. Es fehlt das „Begreifen“! Begreifen hat etwas mit Berührung und Kontakt zu tun. Die Welt ist kein Gedankenmodell, sie ist haptisch und begreifbar.
Es fehlen sichere Inseln des Verstehens und Kennenlernens. Orte an denen die Möglichkeiten der sanften Konfrontation gewährleistet werden können. Stattdessen bauen auch wir immer mehr Mauern, um uns weiter in uns selbst zurückzuziehen und von anderen zu separieren, anstatt die neue Wirklichkeit kennen und schätzen zu lernen.
Jede Veränderung ist aber auch mit einer Chance verbunden. Jetzt sind Tatsachen geschaffen, mit denen wir unweigerlich leben müssen. Demokratie bedeutet nicht, dass es die eigene gewünschte Entscheidung ist, welche sich durchsetzt – die Mehrheit hat gesprochen. Wo man nicht die Chance gegeben hat zu begreifen und sich somit gegen ein Miteinander ausspricht, dort bleibt die Hoffnung, dass ein reinigendes Gewitter vielleicht doch noch sein Gutes hat.