Gut 90 Prozent der deutschen landwirtschaftlichen Betriebe arbeiten nach konventionellen Richtlinien. Das heißt: große Flächen, hohe Erträge, wenig Personal, gewinnorientierte Wirtschaft. Per se mag das nicht schlecht sein und genau das wurde lange von der EU gefördert. Man könnte also sagen, auf die Situation wie sie jetzt ist, wurde stetig hingearbeitet.
Nur große Betriebe lohnen sich heutzutage noch. 50 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Europas gehören 3 Prozent der Landwirte. In Deutschland ist das Sterben der kleinen Höfe groß: über 80 Prozent der kleinen Betriebe haben aufgegeben oder wurden aufgekauft. Das konnte nur durch das Verteilen der europäischen Subventionsgelder passieren, die auf drei Säulen aufbaut sind: die Förderung nach Fläche der bewirtschafteten Felder, die Förderung ländlicher Betriebe und die Förderung an gekoppelte Umweltmaßnahmen.
In Zahlen sieht das wie folgt aus:
- 38 Prozent des EU-Budgets, das sind 58 Milliarden Euro pro Jahr gehen an die europäische Landwirtschaft.
- 6,3 Milliarden davon gehen nach Deutschland. Hier wird das Geld nach den drei Säulen verteilt, wobei die erste Säule am meisten Geld verschlingt.
- 5 Milliarden der 6,3 Milliarden gehen an die Förderung nach Fläche.
- 1,3 Milliarden stehen für die Förderung ländlicher Betriebe zur Verfügung.
- Nur ein winziger Teil bleibt für die Umweltmaßnahmen wie der Anbau von Grünstreifen übrig.
Die Verantwortlichen
Doch, warum das Ganze? Die europäische Landwirtschaft muss global konkurrenzfähig sein. Das ist und war das Ziel der GAP, die gemeinsame Agrar-Politik der EU. Sieht man sich die heutigen Verhältnisse in Deutschland an, stellt sich die offensichtliche Frage: ist die GAP verantwortlich für die katastrophalen Zustände unserer Umwelt? Braune, einheitliche, riesige Felder, Vogelarten wie der Kibitz sterben aus da sein Futter, die Insekten, durch Pestizide getötet werden, unfruchtbarer Boden, verseuchtes Grundwasser, ein Aussterben der alten Gemüse- und Obstsorten. Klar ist: wenn die GAP so weiter macht, dann ist sie definitiv dafür verantwortlich.
Aber, das sind doch alles keine neuen Informationen. Warum tut sich eigentlich nichts, warum werden die Förderungen nicht an Umweltschutz gebunden und die Förderung nach Fläche nicht eingeschränkt? Einige Antworten hierfür finden sich in den unzähligen Verflechtungen von Politik und der bäuerlichen Funktionäre. Das Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen hat sich in einer Studie, die vom Naturschutzbund in Auftrag gegeben wurde, damit beschäftigt. Sie deckten insgesamt über 560 Verbindungslinien auf zwischen der Politik und Firmen aus der Agroindustrie sowie andere Firmen, die der Landwirtschaft nahe stehen wie die Chemieindustrie oder die Ernährungs- und Finanzwirtschaft.
Versteckter Lobbyismus in der Politik
Im Zentrum dieses Netzwerkes steht der deutsche Bauern Verband e.V.. Rund 90 Prozent der deutschen Landwirte sind in diesem Verband organisiert. Wird also hier über die Verteilung der EU-Milliarden diskutiert kommt es zu vielen Interessenkonflikten. Vor allem die Funktionäre in der Führungsriege vertreten nicht nur die Interessen der Landwirte. Allen voran der Präsident des deutschen Bauern Verbandes Joachim Ruckwied. Er hat 18 Positionen in Führungsetagen der Agrarwirtschaft inne. Die wichtigsten Positionen werden auch in der Studie benannt:
- Aufsichtsrat bei der R+V Versicherung,
- bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank,
- der KfW Bankgruppe (Kreditanstalt für Wiederaufbau) und
- der BayWa AG (internationaler Handels- und Dienstleistungskonzern mit dem Schwerpunkt Agrar, Energie und Bau).
Über diese Positionen hat Joachim Ruckwied so entscheidenden Einfluss auf die Vergabe von Krediten und ein Interesse daran über die BayWa Betriebsmittel zu verkaufen, also Düngemittel und Pestizide. Das macht es schwer nachzuvollziehen wessen Interessen Herr Ruckwied nun letztendlich vertritt. Und er ist nicht der einzige. Auch die anderen Bauernverbandsvorstände haben Spitzen-Positionen in landwirtschaftsnahen Unternehmen, die an den Bauern natürlich verdienen und daher oft nicht unbedingt am Wohlergehen der Bauern interessiert sind. So beeinflusst der Bauernverband den Willensbildungprozess in der Politik und Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft auf professionelle Art und Weise seit Jahrzehnten.
Und auf EU-Ebene? Eigentlich soll die Flächenzahlung eingestellt werden und das frei werdende Geld für Umweltmaßnahmen eingesetzt werden. Doch auch hier, im Agrarausschuss, hat eine konservative Fraktion, die EVP, ein Zusammenschluss aus Parteien zu dem auch die CDU/CSU gehört, die Mehrheit. Sprecher dieser EVP ist seit eine Jahrzehnt Albert Dess, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der BayernLand eG ist, eine der größten Molkereien Deutschlands, die bei Bauern möglichst günstig Milch einkaufen will. Zudem ist er auch im deutschen Bauern Verband seit über 40 Jahren aktiv, Mitglied des Sonderausschusses zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und ganz zufällig auch Beirat in der BayWa AG, die unter anderem mit Pestiziden Umsatz machen. Kein Wunder also, dass die Kommissionsvorschläge der EU von der EVP abgelehnt werden: keine Deckelung der Direktzahlungen, keine neue gemeinsame Agrar-Politik. Albert Dess ist damit der mächtigste Mann, wenn es um Agrar-Politik geht, er hat mehr Einfluss als die deutschen Agrar-Minister und ist ständig im Kontakt mit Agrar-Ministern aus der ganzen Welt.
Was der Verbraucher tun kann
Konventionelle Lebensmittel haben versteckte Kosten. Zwar sind sie im Discounter schön billig, aber die Schäden die dadurch angerichtet werden, müssen beseitigt werden. Und diese Reparaturen werden natürlich über Steuergelder bezahlt. Billig kommt uns teuer zu stehen und unterstützt zudem dieses kranke System. Allein das Einkaufsverhalten wird es aber leider nicht richten können. Eigentlich müsste der Deutsche Agrarausschuss dieses System richten, leider ist hier das gleiche Bild wie im EU-Ausschuss: 85 Prozent der Unions-Mitglieder im Agrarausschuss haben eine Landwirtschaftsbetrieb, sind im Bauern Verband und haben dort eine wichtige Position. Sie haben im Ausschuss die Macht Reformen zu blockieren und wollen auch an den Direktzahlungen nicht rütteln.
Unser Konsumverhalten könnte dennoch Weichen stellen. Wenn wir Ökolandbau unterstützen, können sich jene Betriebe vergrößern, denen eine umweltschonende Kreislaufwirtschaft am Herzen liegt. Ja, es ist nicht günstig im Bioladen einkaufen zu gehen, ja, ich weiß es kann sich nicht jeder leisten. Doch viele, die es sich leisten könnten, tun es nicht. Und selbst viele, die glauben es sich nicht leisten zu können, können zumindest einmal pro Woche biologische Lebensmittel einkaufen. Oder Gemüsekisten von solidarischen Landwirtschaftsbetrieben bestellen. Jedes kleine bisschen hilft.