Bald wird künstliches Fleisch konventionelles abgelöst haben, sagt der Philosoph Richard David Precht voraus. Was Natur und Tiere von den fatalen Folgen des Fleischkonsums befreien wird, könnte für Bauern und Fleisch-Esser in der Geisel von Monopolisten enden.
Das Problem: Massentierhaltung ist eine ökologische Katastrophe
Richard David Precht ist der Popstar unter den deutschen Philosophen, sein bekanntestes Buch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ ist einer der Bestseller des letzten Jahrzehnts und mittlerweile hat er sogar eine eigene Fernsehsendung im ZDF. Auf dem diesjährigen BIOTOPIA Festival mit dem Thema „Wie schmeckt die Zukunft“ hat Precht eine Rede gehalten, in der er sich mit dem Fleisch der Zukunft beschäftigt: Er nennt die Massentierhaltung eine der größten ökologischen Katastrophen – Rinder furzen Methan in die Atmosphäre, die Gülle ist Gift für das Grundwasser und der Regenwald wird gerodet, um Tiere zu halten. In Europa leben mittlerweile mehr Hühner in Legebatterien als Wildvögel; es sind 3 Milliarden eingesperrte Hühner und 1,6 Milliarden verwandte Vögel in Freiheit.
Auch wenn man immer wieder etwas anderes hört, steigt der Bedarf an Fleisch. Warum? In westlichen Ländern wie Deutschland gibt es zwar Trends kein Fleisch mehr zu essen, aber in Ländern wie Indien, die sich lange Zeit überwiegend vegetarisch ernährt haben, wird immer mehr Fleisch gegessen und der steigende Wohlstand weltweit führt dazu, dass sich immer mehr Menschen Fleisch leisten können, erklärt Precht. Der tatsächliche Verbrauch an Fleisch weltweit steigt also stark an.
Die Lösung: Künstliches Fleisch aus dem Labor
Als Lösung, um den Fleischbedarf zu decken und sich aus der ökologischen und ethischen Katastrophe der Massentierhaltung zu befreien, sieht Precht das von Mark Post entwickelte Verfahren Fleisch künstlich herzustellen. Vor sechs Jahren ist es dem niederländischen Wissenschaftler zum ersten Mal gelungen im Labor aus Stammzellen eine Fleisch-Bulette zu züchten. Der Herstellungspreis von 330.000 Dollar damals ist mittlerweile auf 40 Dollar gefallen.
Bald wird es das künstliche Fleisch, für das man keine Tiere mehr halten muss, im Supermarkt geben, prophezeit Precht. Der große Vorteil von Labor-Fleisch ist folgender: Herstellen kann man es hocheffizient in Silos, Land, Wasser und Energie würde man dabei kaum mehr verbrauchen. Man bräuchte nur noch wenige Tiere und könnte deshalb einen Großteil der Massentierhaltung und das Leiden der Tiere beenden. Was sogar dazu führen könnte, das künstliches Fleisch gesünder ist als das aus konventioneller Herstellung.
Das Problem der Lösung: Ein Monopol ist möglich
Precht glaubt an künstliches Fleisch: Wenn es richtig eingesetzt wird, dann kann es verhindern, dass wir in das totale ökologische Desaster schlendern, sagt er. Doch er hat eine große Sorge: Die ersten 330.000 Dollar kamen von Sergey Brin, einem der beiden Gründer von Google. Unternehmen aus dem Silicon Valley geben überraschend viel Geld für solche neuartige Lebensmittelproduktion – für künstliches Fleisch und Co. sogar doppelt so viel wie für künstliche Intelligenz.
Das Problem an den Investitionen von Großkonzernen sieht Precht darin, dass es seit einem Urteil von 1997 über die grüne Gentechnik möglich ist, sich Verfahren zur Herstellung von bestimmten biologischen Produkten mit einem Patent schützen zu lassen. Wie bei dieser könnte die vielversprechende Anwendung einer neuen Technologie durch die Macht, die ein Konzern mit einem Patent darüber erlangt, missbraucht werden. Als Beispiel nennt er Monsanto: ein Unternehmen, das seine Markt-Macht ausnutzt, indem es Partner, die Saatgut kaufen, in Geiselhaft und generell keine Rücksicht auf ökologische Folgen nehme.
Irgendwann wird künstliches Fleisch günstiger als konventionelles werden, prognostiziert Precht. Wenn Google sich bis dahin das Verfahren zur Herstellung von künstlichen Fleisch patentieren lassen hat, dann gibt es nur noch Google-Buletten in den Supermärkten, warnt er. Denn sobald jemand ein Patent hat, könne das Verfahren niemand anderes mehr nutzen und der Monopolist hat die Mark-Macht zu machen, was er will. Statt vielen mittelständischen Unternehmen, die Fleisch herstellen, könnte es überall im ganzen Land Silos geben, in denen der Google-Burger produziert wird, mutmaßt Precht.
Prechts Lösung des Problem: Freies Verfahren zur Herstellung
Deshalb spricht er sich dafür aus, dass Verfahren um Fleisch künstlich herzustellen, jedem zugänglich sind, indem es nicht möglich ist, sie sich patentieren zu lassen. Dann könnten viele künstliches Fleisch produzieren und wir würden in einer besseren Welt leben. Vegetarier und Veganer sollten nicht darüber diskutieren, ob es ethisch korrekt ist Fleisch künstlich herzustellen, sondern versuchen zu verhindern, dass ein Monopol und damit neue Abhängigkeiten entstehen – und auch die Fleischindustrie sollte sich dafür einsetzen, da sie ansonsten ausstirbt oder unter die Kontrolle von einigen, wenigen Monopolisten gerät. Gelingt dies, würde die Fleischproduktion nicht so enden wie fast jede Internet-Suche, in der kein Weg mehr an Google vorbeiführt.