Was erwartet man, wenn man in das nachhaltigste Hotel Deutschlands geht? „Landgut Stober“ ist genau dieses und befindet sich in Brandenburg… klingt irgendwie nach einem großen Bauernhof.
Tja, da täuscht man sich, denn als wir an einem Freitagnachmittag im Ort Groß Behnitz ankamen, überraschte uns ein wunderschön restauriertes, historisch geprägtes Anwesen aus roten Klinkersteinen an einem naturbelassenen See. Wir hatten zuvor zwar Bilder im Internet gesehen, aber dieses riesige Areal mit eigenen Augen zu sehen ist etwas anderes. Eine herrliche Gegend. Dieser ruhige, ausgeglichene Ort selbst passt schon einmal perfekt zum nachhaltigsten Hotel Deutschlands.
Der erste Weg führte uns in unser Zimmer – es war einfach aber sehr liebevoll gestaltet. Was uns sofort begeisterte und auffiel war der fantastische Echtholzboden und dass die Fugen zu den Wänden, nicht wie meist üblich, mit Silikon, sondern mit Kork abgedichtet wurden. An der Toilette hing der Hinweis: Spülung mit Regenwasser. Ok, nun war klar auf dem Landgut Stober begann der Nachhaltigkeitsgedanke schon sehr früh und zwar schon in der Bauphase.
In den zwei Tagen, schauten wir uns auf dem riesigen Gut mit etwa 30.000 m² in Ruhe um, genossen unseren traumhaften Ausblick auf den See und ließen uns im Restaurant mit qualitativ hochwertigen Biogerichten verwöhnen. Es war ein wunderbares Wochenende!
Interview mit dem Gutsherrn Michael Stober
Am Sonntagvormittag trafen wir den Geschäftsführer Herrn Michael Stober persönlich. Mittlerweile hatten wir uns intensiv mit seinem Landgut auseinandergesetzt und fragten uns, wie ein Bauunternehmer – genau das war Herr Stober nämlich in seinem früheren Leben – dazu kommt jetzt ein Hotel zu führen und dann auch noch das nachhaltigste Hotel Deutschlands.
Er grinste und antwortete mit einem kleinen Augenzwinkern: „Um so eine riesen Immobilie anzufassen muss man entweder ein super Hotelier sein, oder ein bekloppter Bauunternehmer.“
WirEssenGesund: Ein Hotel zu bauen ist das eine, sich dafür aber eine ehemalige „Ruine“ aus der Zeit der Industrialisierung auszusuchen und daraus das erste biozertifizierte Hotel Brandenburgs und mittlerweile auch nachhaltigstes Hotel Deutschlands zu bauen, ist etwas anderes. Warum Bio und warum Nachhaltigkeit?
Herr Stober: Nachhaltigkeit war eher ein Zufall, ich hatte das Anfangs eigentlich überhaupt nicht vor Deutschlands nachhaltigstes Hotel zu bauen. Sondern vielmehr hat sich für mich die Frage gestellt, wie baue ich ein Haus, was möglichst wenig Geld nach hinten raus kostet. Also war klar, ich muss mit Photovoltaik den Strom selber produzieren. Des Weiteren heizen wir in zwei Hackschnitzelkraftwerken mit Holz aus dem eigenen Wald. Wir sammeln alles an Regenwasser und lassen sämtliche 200 Toiletten damit laufen. Wir haben elektrosmogreduzierte Zimmer, Biobettwäsche, Biofrotteeware, Biokosmetik und alles auch noch Fairtrade. Den Teppich, den wir im Hotelflur verlegt haben können wir nach 7 Jahren, wenn dieser durchgelaufen ist, direkt in den Schafstall bringen zum Verfüttern, weil der fast zu 100% aus Mais besteht. Das ist so ein kurzer Abriss von dem, was wir so im Bereich Nachhaltigkeit machen.
WirEssenGesund: Sie engagieren sich auch sehr im sozialen Bereich für Ihre Mitarbeiter und wurden auch hierfür ausgezeichnet.
Herr Stober: Sich auch um die Belange seiner Mitarbeiter zu kümmern gehört einfach dazu, wenn man einen modernen Betrieb wie diesen im ländlichen Raum betreiben möchte. Ohne unsere Mitarbeiter könnten wir das hier nicht leisten.
WirEssenGesund: Können Sie mir hier ein paar Punkte aufzeigen, was Sie denn hier so machen?
Herr Stober: Das sind eine ganze Reihe an Maßnahmen, die hier zusammenkommen. Etwa bezahlen wir Weiterbildungsprogramme und sogar duale Studiengänge und Kitas für unsere Mitarbeiter. Wir bieten auch kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten. Wir haben Shuttleautos, die von den Mitarbeitern genutzt werden können und vor ein paar Jahren haben wir auch ein kostenloses Mittagessen eingeführt. Dieses diente auch dem Zweck einen Kommunikationsort zu schaffen, wo sich unsere Mitarbeiter austauschen können.
WirEssenGesund: Ich habe gelesen, dass die Sanierung dieses Areals einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hat. Bei solch enormen Kosten denkt ja bestimmt nicht jeder Bauherr daran sämtliche Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, denn da kommen dann bestimmt noch weitere Kosten auf einen zu. Oder täusche ich mich da?
Herr Stober: Viele Punkte im Bereich Nachhaltigkeit kosten ja kein Geld, sondern eher ein bisschen Grips. Es gilt sich einfach in die Thematik einzuarbeiten und zu schauen, was kann ich optimieren.
Wir sind ja seit 2013 klimaneutral und lassen uns hier auch regelmäßig zertifizieren. Wir haben uns deshalb vor 2 Jahren einfach mal hingesetzt und spaßeshalber geschaut, was kostet uns das, was wir alles nachhaltig machen und was würde es uns kosten, wenn wir das nicht nachhaltig machen würden? Dabei haben wir eine erstaunliche Erkenntnis daraus gezogen.
Die Summe aller Maßnahmen, die wir nachhaltig gestalten führt dazu, dass wir unseren Gästen ein um 4,6% preisgünstigeres Angebot machen können. Es schafft uns somit sogar einen Wettbewerbsvorteil. Alleine die Heizung spart uns rund 60.000€ pro Jahr. Durch die Optimierung unseres Wasserverbrauchs sparen wir darüber hinaus 75% an Frischwasser.
WirEssenGesund: Wow, diese Zahlen sind beeindruckend! Bei uns auf www.wir-essen-gesund.de geht es ja hauptsächlich um das Thema Ernährung. Welchen Herausforderungen haben Sie sich hier mit dem Landgut Stober stellen müssen?
Herr Stober: Ja, da haben Sie recht! Vor 11 Jahren, als wir hier angefangen haben, hat uns niemand mit der Qualität, die wir wollten beliefert. Die Betriebe hier in Brandenburg sind so groß, da spielen wir keine Rolle. Das war zu Beginn wirklich schwer. Nach und nach haben wir ein Netzwerk von mehreren kleinen Lieferanten aufgebaut. Es war sehr mühselig, hier wirklich noch Lieferanten zu finden, die in kleineren Strukturen uns mit qualitativ hochwertiger Ware beliefern konnten. Hier in der Gegend ist es nämlich leichter 500 Tonnen Kartoffeln zu kaufen, als 500 Kilo.
Mittlerweile läuft das aber sehr gut. Ich nehme meinen Küchendirektor immer mit und dann fahren wir neue Betriebe in der Gegend ab und schauen uns diese an. Wir schauen, wie produziert er seine Waren, wie geht der mit seinen Tieren um und nur wenn das alles passt, kommt das für uns in Frage. Wenn wir sehen, der Produzent liebt seine Produkte, wie auch wir unsere Produkte lieben, dann kommt der bei uns auf die Zulieferliste. Da bleiben dann nicht mehr viele übrig… Aber die 10 bis 12 Lieferanten, die wir mittlerweile haben, sind sehr zuverlässig.
WirEssenGesund: Mit fast ausschließlich regionalen Zulieferern ist ein Betrieb auch stark von der saisonalen Verfügbarkeit der unterschiedlichen Produkte abhängig. Wie lösen Sie dieses Problem?
Herr Stober: Wir ändern alle 6 Wochen unsere Speisekarte, weil wir diesen hohen regionalen Anteil haben. Aktuell haben wir einen Regionalanteil von 80% bis 90%.
WirEssenGesund: …und über den Winter? Versuchen Sie hier auch möglichst regional und saisonal zu bleiben? Ich kann mir vorstellen, das ist für ein Hotel dieser Größe nicht unbedingt einfach.
Herr Stober: Immer… wir versuchen immer möglichst regional zu bleiben. Aber das ist natürlich schwieriger über den Winter. Da schraubt sich der Anteil der regionalen Produkte ein bisschen zurück.
Meine Frau – Sie ist hier eigentlich für das operative Geschäft verantwortlich – und ich, wir stehen komplett hinter dieser Art der Küche. Genauso wie auch unser Küchenleiter. Wir verwenden überhaupt kein Convenience Food. Bei uns ist wirklich alles frisch. Da kommen auch keine Geschmacksverstärker und keine Fertigpulver oder ähnliches ans Essen. Wenn Sie bei uns in die Küche reingehen, haben Sie ganz viele Kühlregale, in denen alle diese Frischeprodukte drin sind, auf die wir zurückgreifen können.
WirEssenGesund: Sie haben auch ganz besonderes Personal…
Herr Stober: Ja, etwa unser Küchendirektor, der Andreas Schmidt, der hat schon mit dem Markus Semmler oder auch mit Tim Raue zusammen gekocht.
Unser Küchenleiter im Restaurant ist der Thorsten Ritter, der hat mal ‚Das Speisezimmer‘ in der Chausseestraße in Berlin gemacht, eines der drei Restaurants von Sarah Wiener.
Oder Johannes, unser Bankett Küchenleiter. Er hat mit Attila Hildmann die vier veganen Kochbücher verfasst. Attila hat die Rezepte entwickelt und steht mit der Philosophie dahinter und Johannes hat das alles gekocht und fotografiert.
WirEssenGesund: Beeindruckend! Bei Ihnen merkt man, dass Sie das was Sie hier geschaffen haben lieben und sich komplett damit identifizieren können. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Es war uns eine Freude bei Ihnen auf dem Landgut Stober zu übernachten und Ihre hervorragende Küche zu genießen.
Zum Abschluss noch unsere Standardfrage: Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Herr Stober lacht: Königsberger Klopse!
Unser Geheimtipp zum Abschluss
Nach dem Interview hat uns Herr Stober noch zu einer Führung über sein Landgut eingeladen. Auch das können wir nur empfehlen. Er hält diese Führung jeden Sonntag um 11 Uhr. Im Rahmen dessen erzählt er auf eine sehr lebhafte und anschauliche Art und Weise von der Geschichte des Anwesens. Ohne zu viel zu verraten kann ich sagen, Herr Stober ist ein würdiger Nachfolger in der Historie… aber das hört ihr euch am besten einfach selbst mal an!
Wer sich also etwas Besonderes gönnen möchte, dem können wir das Landgut Stober in Groß Behnitz in Brandenburg (kurz vor Berlin) wirklich nur ans Herz legen.
Danke Herr Stober für das schöne Wochenende und auch Danke an GreenPearls für die Vermittlung! 😊