Essen kommt in den Mund, dort trifft es auf tausende Geschmacksrezeptoren, welche uns Auskunft über verschiedene Geschmacksrichtungen gibt. Soweit stimmt das auch, aber überwiegend schmecken wir mit der Nase, aber auch die Ohren, Augen und sogar unsere Zähne spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Die noch relativ junge Wissenschaft der Neurogastronomie erforscht wie wir schmecken. Deren Erkenntnisse stellen derzeit lang geglaubte Wahrheiten auf den Kopf.
Die Nase als wichtigstes Geschmacksorgan
Es heißt immer, der Geruchsinn des Menschen sei im Vergleich zu Tieren unterentwickelt. Vor allem Hunde riechen um Welten besser als wir. Dank der Neurogastronomie wissen wir, dass das nicht ganz richtig ist. Menschen riechen nicht schlechter, sie riechen anders. Wir riechen vielleicht nicht so gut von außen, jedoch viel besser von innen und damit riechen wir besonders gut den Geschmack unserer Speisen.
Betrachtet man die Nase eines Hundes, so ist diese sehr weit nach vorne ausgeprägt. Die des Menschen ist eher nach hinten orientiert. Genau so riechen wir auch, wir riechen im hinteren Teil der Nase. Die Geruchsrezeptoren welche über den retronasalen Weg, also den zwischen Mund, Rachen und Nase angesprochen werden, sind bei uns Menschen deutlich besser ausgeprägt als die des Hundes. Wir können somit jene Moleküle, die beim Kauen unserer Nahrung freigesetzt werden, deutlich besser riechen und damit besser schmecken. Damit ist unser Geschmackserlebnis entsprechend auch größer als das von Tieren.
Wenn man es in Prozenten ausdrückt, so geht man davon aus, dass tatsächlich 80 Prozent unserer Geschmacksempfindungen aus der Nase kommen. Damit ist der Mund, genauer gesagt die Zunge, trotz ihrer fast 5000 Geschmacksrezeptoren weit abgeschlagen. Sie gibt uns gerade einmal Informationen darüber, ob unser Essen salzig, süß, bitter, sauer oder umami schmeckt. Die gerade einmal 350 Geruchsrezeptoren der Nase arbeiten hingegen um einiges filigraner. Sie können nahezu unendlich viele Geruchsempfindungen aufnehmen, welche dann im Gehirn zu einem Geschmackswelt zusammengebaut werden.
Wir essen mit allen Sinnen
Mit Mund und Nase hört das Schmecken aber noch lange nicht auf. Der Geschmack unseres Essens ist eine Aufgabe für nahezu alle Sinne. Auch das Ohr entscheidet mit, ob uns etwas schmeckt oder nicht. So konnte gezeigt werden, dass hochfrequenteres Knacken Essen süßer wirken lässt als Knacken auf tiefen Frequenzen. Knackig, krosse Brötchen schmecken besser als weiche, die man gar nicht hört. Somit stören auch laute Hintergrundgeräusche unser Geschmacksempfinden.
Weitere Geschmacksinformationen erhalten wir von unseren Augen. Jeder hat es bestimmt schon selbst gemerkt, ein schön angerichteter Teller macht etwas her. Man hat gleich viel mehr Lust auf das Essen und es schmeckt am Ende besser. Auch spielen die Farben unseres Essens eine Rolle bei der Geschmacksempfindung. Die tiefrote Erdbeere strahlt die Süße, die in ihr steckt, förmlich aus. Würden wir ein Gericht vollständig hellblau färben, so hätten wir mit Sicherheit weniger Lust darauf, selbst wenn sich dahinter unser Leibgericht verbergen würde.
Nicht zuletzt schmecken sogar unsere Zähne mit. Fallen im Alter die Zähne aus, so ist auch das ein Grund dafür, dass der Geschmackssinn nachlässt. Über alle Organe und Körperteile hinweg werden Informationen gesammelt, die darüber entscheiden, ob uns ein Essen schmeckt oder nicht. Selbst Darmbakterien dürfen dabei noch mitreden. Anschließend gelangen diese Informationen gebündelt in unser Gehirn und machen uns zu den wohl besten Schmeckern im ganzen Tierreich.
Geschmack hat die Geschichte verändert
Die wahrlich herausragenden Fähigkeiten unseres Geschmackssinns bleiben nicht ganz ohne Folgen. Wir sind sozusagen zum Gourmet geboren. Schmackhaftes Essen ist deshalb für den Menschen essenziell wichtig, weshalb wir uns auch von Geschmack leiten lassen. Im Laufe unserer Geschichte haben wir infolgedessen zahllose Kriege geführt.
So wurden Handelswege erkämpft und auf der Suche nach den feinsten und wertvollsten Gewürzen wurden Weltreiche erschaffen und zu Fall gebracht. Versteht man die wirklich einzigartige Fähigkeit des Menschen Geschmäcker aufzunehmen und zu verarbeiten, so ist auch die Menschheitsgeschichte ein Stückweit besser erklärbar.
Natürlich wird das Wissen um unseren Geschmackssinn auch dafür genutzt uns zu manipulieren. Insbesondere bei Fastfood oder auch in der Fertigprodukte- und Süßigkeitenindustrie werden alle Register des Geschmacks gezogen. Sie lösen in unserem Gehirn wahre Feuerwerke an Empfindungen aus. Es liegt in unserer Evolution, dass wir dazu nur schwer nein sagen können! Der Gourmet in uns will einfach mehr davon 😉