„Ja, also auf Fleisch zu verzichten das kann ich mir ja noch vorstellen und wäre überhaupt kein Problem, aber Käse! Und Eier! Das würde mir fehlen.“, ist ein häufig gehörter Satz den man als Veganer von nicht-vegan-lebenden aber interessierten Menschen zu hören bekommt. Und begründet damit meiner Meinung nach den Siegeszug des Vegetarismus.
Vegetarier sein – kein Problem
So wie es heute für viele Menschen unvorstellbar ist sich vegan zu ernähren, war es vor gut 50 Jahren genauso unvorstellbar sich vegetarisch zu ernähren. Wobei man hier einhaken muss, dass die vegetarische Bewegung eigentlich großteils eine vegane Bewegung war und sich später erst in ovo-lacto-vegetarisch und vegan spaltete. Dennoch ist das Wissen, dass es möglich und gesund sein kann sich ovo-lacto-vegetarisch zu ernähren, unumstritten in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Ovo-lacto-Vegetarismus bedeutet, dass man kein Fleisch, keinen Fisch und keine Meeresfrüchte isst, aber Eier und Milchprodukte. Der Schritt zum Vegetarier ist in Gedanken also meist ein ethischer: ich will keine Tiere mehr essen. Dazu kommt dann oft die Erkenntnis, dass man sich zudem gesünder ernähren möchte, insbesondere rotes Fleisch gilt laut WHO als karzinogen, also krebserregend. Nachdem dieses Urteil gefällt wurde, richtete sich auch die Wirtschaft immer mehr auf den vegetarisch-lebenden, bzw. mit einem Auge auf eine vegetarische Ernährung schielenden Kunden und bringt Ersatzprodukte für Fleisch und Fisch in die Regale. Das macht es dem Konsumenten einfacher auf Fleisch zu verzichten ohne Gewohnheiten umstellen zu müssen. Man kann auch schnell ein vegetarisches Schnitzel in die Pfanne hauen oder vegetarische Wurst aufs Brot legen.
Vegetarische Ersatzprodukte: ein Rechenbeispiel
Diese Form der Ersatzprodukte bevorzugen tatsächlich selten Vegetarier oder Veganer. Unter dem Deckmantel etwas gutes für die Gesundheit und das Tierwohl zu tun, richten sich solche Produkte an das schlechte Gewissen von Fleischkonsumenten, die wenigstens einmal in der Woche vegetarisch leben wollen. Dass für vegetarische Produkte aber genauso Tiere sterben wie für nicht-vegetarische Produkte, ist Veganern und vielen Vegetariern meist bewusst, der breiten Masse aber noch nicht. Spannender Weise gab es dazu im Stern ein vereinfachtes Rechenbeispiel, das dieses Bewusstsein schüren soll.
Sie nehmen die Herstellerangaben einer Mortadella-Wurst, die aus 74 Prozent Fleisch bestehen soll. Es wird angenommen, dass ein durchschnittliches Schwein ein durchschnittliches Schlachtgewicht von 94,25kg hat, davon werden 80,6 Prozent zum menschlichen Verzehr verwertet. Das ergibt 75,97kg Fleisch von dem 10,75kg für Wurst, der Rest wird anderweitig zum menschlichen Verzehr verwertet. Es wird in diesem Beispiel aber angenommen, dass jegliches Verzehrfleisch zur Wurstherstellung verwendet wird, daher kommen sie zum Schluss, dass aus 75,97kg Fleisch 102,66kg Mortadella mit 74 Prozent Fleischanteil hergestellt werden könnte. In der Realität sähe das natürlich anders aus.
Eine vergleichbare vegetarische Mortadella besteht zu 70 Prozent aus Eiklar, was für die gleiche Menge Wurst wie vom Schwein, also 102,66kg bedeutet, dass man 71,86kg Eiklar benötigen würde. Aus einem Ei kann man im Schnitt 33,06 Gramm Eiklar gewinnen, man bräuchte also rund 2174 Eier für 71,86kg Eiklar. Da eine hochgezüchtete Legehenne dennoch „nur“ 300 Eier im Jahr legt und nach etwa 15 Monaten geschlachtet wird, würde man sechs Hennen benötigen um 2174 Eier zu produzieren. Zu diesen sechs Legehennen kommen im Schnitt sechs Hähne, die schon als Küken getötet werden, weil sie keine Eier legen und somit wertlos für die Eierproduktion sind.
In diesem Beispiel würden also 12 Hühner sterben müssen um die gleiche Menge vegetarischer Mortadella zu produzieren die man aus einem Schwein herstellen könnte. Das ist eine ganze Menge dafür, dass einem Tierwohl vorgegaukelt wird. Und dann sind solche Produkte selten aus demeter-Bio-Höfen sondern in der Regel aus konventioneller Massentierhaltung. Wie grausam diese Ställe und die Bedingungen dort sind, brauche ich hier nicht weiter aus zu führen.
Es geht um bewusste Entscheidung
Summa sumarum: auch für ovo-lacto-vegetarische Produkte sterben Tiere und zwar nicht unbedingt weniger als für die gleiche Menge Fleisch. Um Fleischkonsum tatsächlich wett zu machen, müsste man als Fleischliebhaber Eier und Milchprodukte ablehnen, damit man sagen könnte, es sterben weniger Tiere für mein Essverhalten als für das eines ovo-lacto-Vegetariers.
Aber hier Äpfel gegen Birnen aufzuwiegen liegt mir nicht im Sinn. Es geht viel mehr um das Bewusstsein, wie die heutige Produktion von Tierprodukten abläuft. Ich bin sehr froh über jeden Vegetarier oder Flexitarier, weil es bedeutet, dass man anfängt sich bewusst mit seiner Ernährung auseinander zu setzten. Und wie es bei der ovo-lacto-vegetarischen Ernährung der Fall war, wird es auch mit der veganen Ernährung passieren. Um Tierleid wirklich so weit es in unserer Macht steht zu vermeiden, bleibt einem aktuell nur eine ausgewogene pflanzenbasierte Ernährung. Diese Erkenntnisse und die gesundheitlichen Vorteile daraus halten ja jetzt schon Einzug in unser Bewusstsein und werden langfristig ebenso in der Mitte der Gesellschaft ankommen, wie dies heute der Vegetarier ist.