Schiffe und Flugzeuge dienen schon lange nicht mehr ausschließlich zum Transport von Personen und Gütern aller Art. Die zunehmende Globalisierung führt auch zu Wanderungsbewegungen ganz anderer Art. Immer häufiger finden sich invasive Pflanzen und Tierarten, sogenannte Neobiota, welche in neue Ökosystemen ihre Heimat finden, mit als Fracht an Bord. So kommen etwa Pflanzen von Amerika nach Europa oder Tiere von Asien nach Deutschland.
Einwanderungen aus Asien
Durch den seit Jahrzehnten steigenden globalen Schifffahrtsverkehr erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich an Bord blinde Passagiere befinden. Am Rumpf von Tankern und Containerschiffen überstehen zahlreiche Arten die lange Reise unbeschadet, welche diese Reise ohne diese Hilfe wohl niemals geschafft hätten. Besonders betroffen sind Gegenden mit einem hohen Schifffahrtsverkehrsaufkommen. Dazu zählt auch unsere Nordsee. Hier befinden sich mit dem Hamburger Hafen und dem Hafen von Rotterdam zwei der größten Umschlagplätze für Seefracht der Welt. Täglich treffen hier Schiffe aus allen Kontinenten ein und mit ihnen auch verschiedene „invasiven Arten“.
Gerade das hohe Verkehrsaufkommen mit China und Japan wird hier zunehmend zum Problem. An den dortigen Küsten und Meeren finden sich ähnliche klimatische Bedingungen vor. Das steigert entsprechend die Überlebenswahrscheinlichkeiten der mit eingeschleppten Pflanzen und Tierarten. Bereits heute fühlen sich zwei Algenarten aus dem fernen Osten in der Nordsee besonders heimisch. Beide werden als „Hochrisiko-Arten“ eingestuft, weil sie unser heimisches Ökosystem durcheinander bringen.
Auch die amerikanische Pazifikküste ist durch den enormen Schifffahrtsverkehr durch invasive Arten aus Asien bedroht. Zwar sind hier die klimatischen Verhältnisse an den Küsten sehr unterschiedlich, was es den eingewanderten Pflanzen und Tierarten grundsätzlich erst einmal schwerer macht zu überleben. Allerdings sind auch dort, aufgrund der durch den Klimawandel bedingten steigenden Wassertemperaturen ebenfalls erste invasive Arten zu beobachten. Das Ausmaß ist zwar noch lange nicht mit dem in der Nordsee vergleichbar. Verhindern wird sich diese Entwicklung aber auf Dauer wohl nicht lassen.
Wie viele Neobiota gibt es in Deutschland
Das sich invasive Arten bei uns in Deutschland ansiedeln ist nicht unbedingt ein Phänomen aus der jüngeren Vergangenheit. Allerdings sorgt auch hier der stark angestiegene Waren- und Personenverkehr über unseren Erdball zu einem starken Anstieg.
Bei Pflanzen und Tieren, welche sich vor dem Jahr 1492 aus anderen Gebieten der Erde bei uns angesiedelt haben, spricht man von Archäobiota. Inzwischen gibt es 252 Arten, die sich auf diese Weise dauerhaft etabliert haben.
Tabelle: Archäobiota in Deutschland
Artengruppe | Anzahl etablierter Arten |
Wirbeltiere | |
Säugetiere | 5 |
Vögel | 3 |
Fische | 1 |
Wirbellose Tiere | |
Insekten | 10 |
Weichtiere | 1 |
Pflanzen | 226 |
Pilze | 6 |
SUMME | 252 |
Quelle: Bundesamt für Naturschutz (2016)
Alle Arten, die sich nach 1492 bei uns niedergelassen haben zählen zu den Neobiota. Aktuell geht man beim Bundesamt für Naturschutz in Deutschland von rund 800 invasiven Arten aus. Das bedeutet einen Anteil von etwa 1% des gesamten Artenbestands.
Darüber hinaus beobachtet man aber auch eine Vielzahl an Arten, die sich bisher noch nicht fest in unserem Ökosystem etablieren konnten. Offizielle Zahlen sprechen hier von 1600 fremden Pflanzenarten und über 450 Tierarten. Die Dunkelziffer, also Neobiota von denen man noch nichts weiß, ist darin allerdings noch nicht eingerechnet.
Tabelle: Neobiota in Deutschland
Artengruppen | Status | |
Etabliert | Unbeständig | |
Wirbeltiere | ||
Säugetiere | 11 | 6 |
Vögel | 17 | 55 |
Reptilien | 0 | 10 |
Amphibien | 2 | 8 |
Fische | 16 | 21 |
Wirbellose Tiere | ||
Insekten | 139 | 197 |
Krebstiere | 39 | 12 |
Spinnentiere | 10 | 23 |
Weichtiere | 45 | 29 |
Ringelwürmer | 12 | 6 |
Hohltiere | 6 | 4 |
Schwämme | 1 | 0 |
Andere Metazoa | 18 | 67 |
Einzeller | 3 | 16 |
Pflanzen | ||
Gefäßpflanzen | 433 | ca. 1600 |
Moose | 3 | Unbekannt |
Makroalgen | 8 | Unbekannt |
Mikroalgen | 8 | Unbekannt |
Pilze | ||
Flechten | 0 | Unbekannt |
Pilze | 37 | Unbekannt |
SUMME | 808 | Mind. 2054 |
Quelle: Bundesamt für Naturschutz (2016)
Auswirkungen und Gefahren invasiver Arten
Nicht alle invasiven Arten bedrohen unser Ökosystem, unsere Gesundheit oder unsere Wirtschaft. Aktuell geht das Bundesamt für Umweltschutz davon aus, dass etwa 10% der invasiven Arten negative Auswirkungen haben. Global betrachtet gelten Neobiota, nach der Zerstörung von natürlichen Lebensräumen durch den Menschen, als die zweitgrößte Bedrohung unserer biologischen Vielfalt auf unserem Planeten. Es werden fünf Möglichkeiten unterschieden, wie invasive Arten bei uns zu einer Gefährdung der Umwelt werden können:
- Interspezifische Konkurrenz: invasive Arten verdrängen heimische Arten, dadurch dass sie mit ihnen in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen treten
- Prädation und Herbivorie: invasive Tierarten werden zum Fressfeind heimischer Tiere
- Hypridisierung: invasive Arten kreuzen sich mit einheimischen Arten, was zum Verlust von Genen führt.
- Krankheits- und Organismenübertragung: invasive Arten übertragen Krankheiten bzw. Organismen oder sind Parasiten
- Negative ökosystemare Auswirkungen: invasive Arten verändern Lebensräume grundlegend, sodass heimische Arten an dieser Stelle gefährdet werden
https://www.youtube.com/watch?v=R3px6lbiaiQ
Bessere Prognose kommt aus Oldenburg
Unter der Leitung des Oldenburger Instituts für Chemie und Biologie wird an einer Prognosemöglichkeit für die Wanderung invasiver Arten gearbeitet. Die Wahrscheinlichkeit der Einwanderung von fremden Tieren und Pflanzen wird hier auf der Grundlage verschiedener Daten prognostiziert. Bei ihren Berechnungen beziehen die Wissenschaftler etwa die weltweiten Schifffahrtswege, das Verkehrsaufkommen auf dem Wasser sowie die Wassertemperatur und dessen Salzgehalt mit ein. Eine möglichst präzise Prognose der Wanderungsbewegungen soll die Möglichkeit eröffnen negative Auswirkungen durch eingewanderte Pflanzen und Tiere zu verhindern. Invasive Arten vollständig zu vermeiden wohl auch mit besseren Prognosemöglichkeiten nicht möglich sein. Eventuell lassen sich die damit einhergehenden ökologischen Folgen vermindern.
Noch beziehen sich die Forschungen der Wissenschaftler lediglich auf die Verbreitung von Algen. Die Oldenburger sind aber zuversichtlich, dass sich ihre Untersuchungen auf andere Tier- und Pflanzenarten übertragen lassen – und das nicht nur zu Wasser, sonder auch auf dem Landweg.