Seit ich letzten Herbst das erste Mal Kontakt mit Aleksandra Keleman hatte, beobachte ich mit Interesse und Bewunderung ihr Engagement. In der veganen Szene hat sie sich inzwischen als absolute Expertin einen Namen gemacht. Aus diesem Grund sprechen wir heute mit ihr über ein Leben als vegane Unternehmerin, beeindruckende Menschen und die Zukunft unserer Ernährung.
WirEssenGesund: Hallo Aleksandra, es freut mich, dass du heute Zeit für uns gefunden hast. Wer dir in den sozialen Medien folgt, der bekommt ja den Eindruck, dass du unentwegt für die vegane Sache unterwegs bist. Inzwischen bist du als Wirtschaftsingenieurin anerkannte vegane Ernährungsexpertin, wie kam es dazu?
Aleksandra Keleman: Hallo. Zuerst wollte ich mich einfach nur gesünder ernähren. Das hat sehr gut geklappt, ich fühlte mich schnell fitter, vor allem durch den Umstieg auf Pflanzenmilchprodukte. Später erfuhr ich über die ethischen Aspekte unserer Ernährung, die ich vorher komplett ausgeblendet habe. Noch etwas später rückten mir die Umweltfragen immer stärker ins Bewusstsein. Zu sehen, wie sehr die Tierzucht Wasser, Wälder und Klima beschädigt, motiviert mich, für die pflanzliche Ernährung zu werben.
Aber welcher der drei Aspekte Gesundheit, Ethik und Umwelt bewirkt am ehesten, dass Menschen ihre Gewohnheiten ändern? Ich denke, es ist der eigene unmittelbare Vorteil, also die Gesundheit.
Um zu beweisen, dass die pflanzliche Ernährung der sogenannten gemischten Ernährung überlegen ist im Hinblick auf körperliche Leistungsfähigkeit, bedurfte es genauerer Analysen. Seit ca. zwei Jahren arbeite ich mit Leistungssportlern zusammen, um genau das zu beweisen – mit hervorragenden Ergebnissen.
WirEssenGesund: Was sind für dich denn die Hauptgründe, warum vegan sich zukünftig unter den Leistungssportlern durchsetzen wird? Das immer mehr darauf setzen ist ja kein Geheimnis mehr.
Aleksandra Keleman: Essen sollte eine gute Energie-Bilanz haben. Je mehr Arbeit der Körper in die Verdauung von Nahrung stecken muss, desto weniger Energie hat er für den Bewegungsapparat zur Verfügung. Die schwer verdauliche tierische Nahrung, die in schwierigen Wintern eine Art Notfallnahrung für den Menschen darstellte, scheidet deshalb aus. Auch ungekeimtes Getreide, ungekeimte Nüsse und ungekeimte Hülsenfrüchte waren lange haltbare Notfallnahrung im Winter und sind ebenfalls schwerer verdaulich als frisches Obst, Kräuter, Grünblättriges, Gemüse und Gekeimtes.
WirEssenGesund: Im Rahmen deines Engagements triffst du ja immer wieder interessante Menschen aus der veganen Szene auch abseits des Sports . Gibt es dabei jemanden, der dich besonders beeindruckt hat?
Aleksandra Keleman: Besonders beeindruckt haben mich zwei Reden. Beide kann man sich auf Youtube ansehen. „James Cameron on the Vegan Solution“ und „Animals Should be off the Menu“ von Philip Wollen. Der eine ein Hollywood-Regisseur (Terminator, Titanic, Avatar), der andere Ex-Vizepräsident bei der Citybank, beides gestandene Männer, die besonders gelassenes, aber dennoch standhaftes Engagement an den Tag legen und sehr viel zum Guten verändern auf der Welt. James brachte sogar seinen Spezi Arnold Schwarzenegger dazu, einen Appell an die Kalifornier zu richten, ihren Tierkonsum für die Umwelt zu drosseln. Philip Wollen unterstützt weltweit soziale Projekte. Ich denke das allein schon das Charisma der beiden Herren ausreicht, viele Menschen zum Umdenken zu animieren – die müssen nicht mal viel sagen. Ich bin gespannt auf Camerons Dokumentation über Tierzucht, die 2017 erscheinen soll.
WirEssenGesund: Gibt es vielleicht auch jemanden, den du auf jeden Fall noch gerne kennenlernen würdest?
Aleksandra Keleman: Da gibt es so viele. Aus dem Sportbereich wäre das Tennis-Star Novak Djokovic, der unlängst ein veganes Restaurant in Monte Carlo eröffnet hat und Fussballspieler Neven Subotic, der in seiner Freizeit Brunnenprojekte in Äthiopien fördert, damit dort Menschen an sauberes Trinkwasser kommen.
WirEssenGesund: Du beobachtest ja, wie man auch in den sozialen Medien beobachten kann, kontinuierlich die politischen Entwicklungen. Gerade in der letzten Zeit sind manche Tendenzen zu erkennen, die nicht zwangsläufig in die Richtige Richtung zu laufen scheinen. Mir fallen dabei sofort Stichworte wie TIPP, Kückenschreddern oder Glyphosat ein. Was ärgert dich an der Politik denn am meisten?
Aleksandra Keleman: Ich bedaure, dass wirtschaftliche Interessen, also schnelles, kurzlebiges Geld, so oft den Vorrang erhalten vor nachhaltigem Umweltschutz. Es kann nicht sein, dass ein Liter Kuhmuttermilch 38 Cent im Supermarkt kostet, in den allein in der Produktion 1.000 Liter Trinkwasser geflossen sind. Da läuft systemisch etwas schief, was wir sehr teuer bezahlen müssen auf vielen Ebenen – von den Tieren ganz zu schweigen.
WirEssenGesund: Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass die Entwicklungen der letzten 10 Jahre ja durchaus zuversichtlich stimmen. Immer mehr Menschen achten auf ihre Ernährung und das Thema übermäßiger Milch- und Fleischkonsum hat es bis in die Mitte der Gesellschaft geschafft. Wenn du ein realistisches Bild der nächsten 10 Jahre zeichnen müsstest, wo stehen wir dann 2026?
Aleksandra Keleman: Ich kann nur meine Hoffnung beschreiben, wo wir 2026 stehen werden. Ich hoffe, dass bis 2026 die horrenden Subventionen für die Produktion von Tieren gänzlich gestrichen werden. Wenn wir im Supermarkt den wahren Preis für Tiere bezahlen würden, also einschließlich Umwelt-Folgekosten, würde schon heute nur noch eine kleine dekadente Minderheit Tiere oder ihre Ausscheidungen verspeisen.
WirEssenGesund: Was müsste, könnte oder sollte denn passieren, um die Entwicklungen noch weiter auf eine nachhaltige Bahn zu lenken?
Aleksandra Keleman: Wünschenswert wäre, dass die öffentlich-rechtlichen Medien ihrer Aufklärungsverantwortung nachkommen, wie sie es im Fall der Kernenergienutzung ja bereits getan haben. Das würde den Druck auf die Politik erhöhen, Subventionen zu streichen oder über Steuern nachhaltige Prozesse anzuregen, wie auf dem Energie-Sektor geschehen. Es kann nicht sein, dass die ungesunde Kuhmuttermilch mit 7% Mehrwertsteuer besteuert wird und gesunde Pflanzenmilch mit 19%. Wir Menschen haben im Erwachsenenalter kein Grundbedürfnis nach Muttermilch, erst recht nicht von einer anderen Spezies.
WirEssenGesund: Gibt es noch irgendwas, dass du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?
Aleksandra Keleman: Ich kann jedem empfehlen, offen für Neues zu sein. Wenn ich immer das gleiche esse, verpasse ich die Chance, ganz viele leckere Dinge kennenzulernen. Und auf das eigene Bauchgefühl hören. Unser Körper sagt uns in der Regel, wenn Essen das Wort Lebensmittel nicht verdient.
WirEssenGesund: Bevor ich dich für heute entlasse, es fehlt noch unsere traditionell letzte Frage. Was gibt es bei dir heute Abend zu essen?
Aleksandra Keleman: Heute Abend werde ich einen großen Salat essen mit gekeimtem Brot und einer selbst gemachten Frischkäsecreme aus über die Nacht eingeweichten Cashews mit Brottrunk püriert.
WirEssenGesund: Vielen Dank Aleksandra, wir wünschen dir natürlich weiterhin viel Erfolg und ich werde auch in Zukunft mit Interesse und Spannung dein Engagement verfolgen.