Vor kurzem berichteten wir von der neuen Kampagne der Verbraucherschutz-Organisation foodwatch gegen die Lobby der Zuckerindustrie. Mitarbeiter hatten sieben irreführende Thesen untersucht, die in den Medien kursieren. Sie stammen u. a. von Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und der “Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker”, dem wichtigsten Lobby-Verband. Die absurden Behauptungen wie “zuckerhaltige Getränke machen nicht dick” wurden mittels wissenschaftlicher Studien widerlegt. Die komplette Liste mit Quellen und Belegen findet Ihr hier.
Als nun sowohl die Kampagne als auch die Belege bei einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurden, verschärfte sich die Auseinandersetzung: Lobbyisten waren vor Ort und versuchten, die renommierte Organisation foodwatch in Verruf zu bringen.
Dies ist gescheitert – schließlich sind alle Aussagen belegt und damit für uns alle nachprüfbar. Erstaunlich ist schon, mit welcher Dreistigkeit gelogen und verschleiert wird.
Die Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch bestätigte: „In über zehn Jahren Bundestag ist mir keine Gruppe begegnet, die penetranteres und irreführenderes Lobbying betreibt als die Zuckerindustrie. Fakten werden verdreht und Abgeordnete werden mit pseudowissenschaftlichen Publikationen umgarnt.“
Problematisch sind aber auch die Zuständigkeiten der verschiedenen Ministerien: Es wäre sicher sinnvoller, wenn Ernährung dem Gesundheitsministerium oder dem Verbraucherschutz zugeordnet würde. Stattdessen ist sie mit der Landwirtschaft unter einem ministeriellen Dach – hier ist der Interessenkonflikt vorprogrammiert. Wie soll Fehlernährung wirkungsvoll bekämpft werden, wenn Zuckeranbau, Massentierhaltung und Einsatz von Pestiziden leider immer noch stark in der deutschen Agrarindustrie verankert sind?
Die Folgen davon können wir seit Jahren beobachten, wenn der zuständige Minister Christian Schmidt sich zu Aussagen wie “Zucker braucht jeder Mensch” hinreißen lässt, Schweinefleisch in Schulkantinen fordert oder das millionenfache Schreddern männlicher Küken für alternativlos hält und dieser Praxis damit den Persilschein ausstellt.
Lobbyismus ist in Deutschland legal und absolut intransparent. Es gibt zwar eine öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und ihren Vertretern: mit über 2000 Verzeichneten. Die Eintragung ist aber freiwillig, die wirkliche Zahl unbekannt. Mehr als 1000 besaßen 2015 Hausausweise, die ihnen Zugang zum Bundestag verschafften, Anfang 2016 wurde die Praxis endlich abgeschafft. Die Lobbyisten tummeln sich immer noch in der Hauptstadt – rund acht Personen auf ein*n Abgeordnete*n. Ausführliche Informationen dazu findet Ihr auf Lobbypedia.
Nur wenige Minister*innen der bundesdeutschen Geschichte haben dermaßen offensichtlich Lobby-geleitete Politik zum Schaden der Menschen gemacht wie Christian Schmidt. Von Fachleuten wird er nicht ernst genommen. Bleibt zu hoffen, dass er nach den Bundestagswahlen auf einen Posten abgeschoben wird, wo er den Verbraucher*innen weniger schadet.
Und falls Ihr noch nicht mitgemacht habt: Die Kampagne von foodwatch läuft weiter!