Lange galt die britische Lebensmittelampel als das beste Modell, um Verbrauchern schnell und leicht verständlich zu machen, welche Produkte gesund und welche ungesund sind. Nun hat sich die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch von dem Modell abgewandt und setzt sich stattdessen für das französische Nutri-Score-Modell ein.
Was ist der Nutri-Score?
In Frankreich und Belgien sieht man auf der Vorderseite von Lebensmitteln eine fünfstufige Farbskala, die gleichzeitig mit Buchstaben von A bis E gekennzeichnet ist, den sogenannten Nutri-Score: ein Produkt mit einem sehr ausgewogenen Nährstoffprofil bekommt eine grüne Einstufung mit Buchstaben A, ein sehr unausgewogenes Produkt hingegen eine rote Bewertung mit Buchstaben E. Enthält ein Produkt zum Beispiel Obst, Gemüse oder Proteine wird es besser bewertet; gesättigte Fette, Zucker oder Salz dagegen wirken sich negativ auf die Gesamtwertung aus.
Viele Argumente sprechen für das Modell
In einer großen Studie hat die französische Regierung herausgefunden, dass Menschen gesündere Produkte kaufen, wenn verarbeitete Lebensmittel mit dem Nutri-Score gekennzeichnet sind – fast zwei Millionen Verpackungen in 60 Supermärkten wurden verschiedenen Nährwertkennzeichnungen mitgegeben. Um uns für ein Lebensmittel zu entscheiden, brauchen wir geschätzte 35 Sekunden, erklärt der Erfinder des Nutri-Score-Modells im Interview mit Foodwatch. Wie soll man in so kurzer Zeit vergleichen, welche Alternative unter ähnlichen Produkten die Gesündeste ist: Fruit Loops oder Cookie Crisps von Kelloggs, die Spinat-Tiefkühlpizza von Wagner oder doch die von Dr. Oetker, der Bio-Erdbeerjoghurt von Arla oder der gewöhnliche von Mövenpick?
Denn Lebensmittel, die auf den ersten Blick sehr ähnlich erscheinen, weisen tatsächlich oft große Unterschiede bei Nährwerten wie Zucker, Fett und Salz auf – häufig sind daher manche Cerealien, Tiefkühlpizzen und Früchtejoghurts deutlich gesünder als andere.
Die Schwächen des Modells und das Saft-Limonaden-Paradoxon
Natürlich deckt der Nutri-Score nicht alle gesundheitlichen Aspekte von Lebensmitteln ab, es fehlen zum Beispiel Zusatzstoffe, Pestizide oder weitergehende Informationen wie häufig man das Produkt essen sollte. Auch trennt er nicht zwischen einzelnen Nährstoffen wie die britische Lebensmittelampel. Das hat gerade bei Getränken für Verwirrung gesorgt und war für die Ernährungsministerin Julia Klöckner ein Grund das Modell abzulehnen: Eine Light-Limonade kann hier gesünder erscheinen als ein frisch gepresster Orangensaft. Denn der Saft enthält viel Zucker und sollte daher nur in kleinen Mengen getrunken werden, die Limonade hingegen besteht aus gar keinen Nährwerten – also weder günstigen noch ungünstigen – und bekommt daher eine bessere Einstufung.
Um keine falschen Anreize zu setzen, fordert Foodwatch, dass nicht nur Zucker, sondern auch Süßstoff beim Nutri-Score zu einer Abwertung führt. Die britische Ampel ist für die Verbraucherschützer keine Alternative mehr, sie sei „mittlerweile durch den Lobbyeinfluss der Industrie stark verwässert“. So ist zum Beispiel der Vergleichswert für Zucker von ursprünglich 50 Gramm auf 90 Gramm gestiegen.
Was fordert Foodwatch?
Bisher war die Ernährungsministerin gegen das Nutri-Score-Modell: Neben ihrem Saft-Argument erklärte sie, dass sie den Menschen in Deutschland nicht vorschreiben will, was sie zu essen hätten. Vielleicht liegt auch hier ein Missverständnis vor. Denn das Nutri-Score-Modell sagt niemandem, was er zu tun und was zu lassen habe, sondern macht lediglich auf den ersten Blick – und daher stark vereinfacht- verständlich wie gesund ein verarbeitetes Lebensmittel ist. Luise Molling von Foodwatch fordert daher: „Wenn es Frau Klöckner ernst meint mit ihren Beteuerungen, die gesunde Wahl zur einfachen Wahl machen zu wollen, muss die Ministerin sich umgehend für die Einführung des Nutri-Scores in Deutschland und der EU stark machen.“