Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist eine Art Dampfer: Groß und nicht zu übersehen, aber schwer zu manövrieren, wenn eine Richtungsänderung nötig ist. Nun hat sie mal wieder ihre Regeln überarbeitet. Das war überfällig – es dauert lange, bis moderne Erkenntnisse dort Einzug finden.
Nun ist das Problem einerseits, dass die Verantwortlichen leicht verständliche Regeln formulieren möchten, damit alle sie verstehen. So kommt es zu ”5 am Tag”, also fünf Handportionen Obst und Gemüse. Andererseits möchte sich so eine große Institution nicht angreifbar machen. Da werden Regeln manchmal so geglättet und verallgemeinert, dass die Aussagen wenig konkret sind. Was wird nun empfohlen? Schauen wir mal:
Nimm “5 am Tag”
Wie bisher werden fünf Portionen empfohlen, nun aber zwei Mal Obst und drei Mal Gemüse. Der Grund: Damit man nicht zu viel Kohlenhydrate zu sich nimmt. Mit Gemüse sind also wohl keine Kartoffeln gemeint. Zusätzlich Hülsenfrüchte und Nüsse – das ist in Ordnung.
“Vollkorn wählen”
Früher empfahl die DGE reichlich Getreide und Kartoffeln – nun wissen wir aber seit langem, dass zu viele Kohlenhydrate nicht gesund sind und die Wahrscheinlichkeit für Diabetes erhöhen kann. Es war also überfällig, diese Regel zu revidieren. Nun heißt es: Wenn Getreide, dann bitte Vollkorn, der Nähr- und Ballaststoffe wegen. Ja!
“Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen”
Hier wird es nun interessant! Die DGE rät hier quasi durch de Hintertür, sich eher pflanzlich zu ernähren, traut sich das aber nicht offen zu sagen. Zwar heißt es: “Fleisch und insbesondere Wurst enthalten aber auch ungünstige Inhaltsstoffe.” Dennoch wird nicht gesagt, dass man einfach auf Fleisch verzichten kann. Diese Erkenntnis ist offenbar zu viel für die Zielgruppe, vielleicht auch die Fleisch-Lobby zu groß. Immerhin: Viel sollte es nicht sein, “nur” 300 bis 600 Gramm pro Woche. Milch, Joghurt und Käse wird für den täglichen Verzehr empfohlen. Die Begründung? Proteine und Calcium. Dass man die auch anders zu sich nehmen kann und zumindest die tägliche Portion gar nicht nötig ist, das scheint tatsächlich auch heute noch zu revolutionär.
“Gesundheitsfördernde Fette nutzen”
Ah! Vorbei mit der Empfehlung, fettarm zu essen. Tatsächlich weisen immer mehr Studien darauf hin, dass Fette nicht zwangsläufig schädlich sind – es kommt darauf an, welche. Pflanzliche werden empfohlen, vor versteckten Fetten in verarbeiteten Lebensmitteln wird gewarnt. Gut, dass dies nun aufgenommen wurde. Tatsächlich gibt es auch immer mehr Hinweise darauf, dass Cholesterin in der Nahrung nur wenig Einfluss auf den Cholesterin-Spiegel im Blut hat. Diese Zusammenhänge sind noch wenig erforscht, die Anzeichen aber deutlich.
Die weiteren Empfehlungen zeigen das eigentliche Problem: Keine gesüßten Getränke, sondern Wasser. Nicht zu viel Zucker und Salz. Achtsam essen. Ausreichend Bewegung.
Dies sind Allgemeinplätze. Wenn solche simplen Grundregeln empfohlen werden, ist der Umkehrschluss einfach. Die Zielgruppe sind offensichtlich unsportliche Fleischesser, die hauptsächlich Limonade trinken, zum Frühstück Torte essen und unter Gemüse die doppelte Potion Pommes verstehen.
Nun gut, etwas überspitzt. Aber wenn man bedenkt, dass Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme mittlerweile Volkskrankheiten sind und die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig, dann ist der sehr simple Ratgeber der DGE leider durchaus nachvollziehbar. Die Betroffenen sollen wohl dort abgeholt werden, wo sie sind und nicht überfordert werden.