Seit November 2017 existiert die von der IFOAM (International Federation of Organic Agriculture Movements) zertifizierte biozyklisch-vegane Norm in der Landwirtschaft. Dabei verzichten die Bauern auf Düngemittel (wie z.B. Gülle oder Festmist) oder andere Stoffe aus tierischen Ausscheidungen oder Teile des Tierkörpers. Die Verwendung von Federn, Kochen- und Haarmehl, Hornspäne, Blut usw. ist sogar verboten. Stattdessen wird die natürliche Bodenfruchtbarkeit durch die Verwendung von pflanzlichen und mineralischen Produkten wie Gründüngung (beispielweise durch den Anbau von Klee oder Hülsenfrüchte), Kompost, Humuserde, Gärsubstrate und andere pflanzliche Düngetechnicken, erreicht. Und es werden sogar deutlich mehr Erträge geerntet, als durch den konventionelle Anbau mit anorganischem Dünger.
Genau genommen ist Obst und Gemüse oft nicht vegan
Wer vegan lebt muss auf vieles Acht geben. Nicht nur die offensichtlichen Produkte tierischen Ursprungs werden vermieden, sondern auch im Endprodukt nicht mehr sichtbare Nutzung von tierischen Produkten wird zunehmend vermieden. Wein ist in der Regel nicht vegan, da er durch tierische Eiweiße geklärt oder durch Gelatine gefiltert wird. Säfte sind deswegen ebenso oft nicht vegan. Manches Obst wird mit Bienenwachs behandelt und selbst das Guinness Bier wurde lange Zeit durch Fischblasen gereinigt. Das Unternehmen arbeitet aktuell daran alle Biersorten vegan herzustellen. Das sind für Veganer aber bekannte Schwierigkeiten, die sich meist leicht ersetzen lassen. Dennoch wird Obst und Gemüse selbst im Bio-Anbau oft mit Tierdung gedüngt, was dazu führt, dass sogar hier antibiotikaresistente Keime zu finden sind. Um diese Hürde der veganen Lebensweise führt nun ein Weg. Der biozyklisch-vegane Anbau vereint ökologisch-nachhaltige Standards mit einer veganen Lebensweise und ermöglicht einen für Mensch und Natur gesunden Anbau von Pflanzen.
Der vegane Humusboden
Viel mehr durch Zufall stellte der in Griechenland lebende Johannes Eisenbach eine neue Art veganen Kompost her, der die vegane Landwirtschaft revolutioniert. Eigentlich wollte der Bio-Landwirt einen nachhaltigen Nutzen von den Resten der Olivenhaine finden, so vermischte er Olivenblätter, Olivenkuchen (das sind die trockenen Rückstände nach der Pressung von Oliven) und Traubentrester zu einem Kompost, der soweit gut funktionierte. Von diesem Kompost hatte er 80 Tonnen produziert, die er verkaufen wollte. Einige Jahre später aber zwangen ihn zeitaufwändige Umstände im Unternehmen seines Arbeitgebers dazu den Verkauf des Kompostes einzustellen, weshalb dieser in der Lagerung liegen blieb. Als er dann auf diesem Kompost selbst Gemüse anbaute, staunte er nicht schlecht, als er feststellen konnte, dass seine Gemüseerträge mit der Reife des Kompostes immer weiter stieg.
Also schickte er Proben vom Kompost zu Laboruntersuchungen, die ihm verblüffende Ergebnisse mitteilten: der Stickstoffgehalt im Kompost ist ungewöhnlich hoch, außerdem hält der Kompost die Feuchtigkeit untypischerweise gut und setzt reines Wasser frei. Bei herkömmlichen wasserlöslichen Düngemittel werden Nitrate ausgewaschen, die unser Grundwasser verschmutzen.
Seitdem stellt Eisenbach seinen biozyklischen Humusboden gezielt her. Traubentrester, Olivenblätter und Olivenkuchen werden vermischt, auf 56°C erhitzt und einen Monat lang gerührt und geschüttelt während Wasser täglich hinzugefügt wird. Die folgenden drei Monate wird der Kompost wöchentlich gewendet, dann ist der Kompost in der ersten Stufe seiner „Reife“, so wie jeder andere Kompost auch. Eisenbach lässt seinen Kompost aber bis zu vier Jahre lang reifen und erlangt erst damit diese erstaunlichen Vorteile.
Der Humusboden von Eisenbach wurde von Dimitrios Bilalis, Professor für Agronomie an der Argraruniversität Athen, und Eisenbachs Tochter Lydia wissenschaftlich untersucht. Sie maßen die Erträge des Anbaus von Tomaten und Süßkartoffeln auf Humusboden, auf Boden mit anorganischem Dünger und einer Kontrollgruppe. Der durchschnittliche marktfähige Ertrag der Tomaten betrug ganze 7,95 Tonnen pro Hektar auf dem Humusboden. In der Parzelle mit dem anorganischen Dünger waren es nur 4 Tonnen marktfähiger Erträge, die Kontrollgruppe ergab noch weniger Erträge. Auch bei den Süßkartoffeln war der Ertrag auf dem Humusboden deutlich größer: 24,3 Tonnen pro Hektar gegenüber 3,2 Tonnen in der Parzelle mit dem anorganischen Dünger.
Patentfrei für Jedermann
Warum die biozyklische Humuserde so wirksam ist, ist den Wissenschaftlern noch unklar. Klar ist jedoch, dass der Humusboden ähnliche Erträge liefert wie tierische Düngemittel und gleichzeitig die Vielfalt der Natur erhält und nicht mit Nitraten die Flüsse verschmutzt. Eisenbach ist davon überzeugt, dass viele Landwirte den biozyklischen Humusboden testen werden, auch wenn man ihn vier Jahre lang lagern muss. Denn: auf den Humusboden gibt es kein Patent und der Bedarf nach ökologisch sinnvollen Alternativen steigt, so wie auch die Anzahl der vegan lebenden Menschen in Europa steigt. Außerdem ist sich Eisenbach sicher, dass man den Boden auch außerhalb Griechenlands mit anderen Pflanzenmaterialien produzieren kann.
Biozyklisch-vegan ist unsere Zukunft
Dass der biovegane Anbau auch in Deutschland funktioniert beweisen Initiativen wie plantAge aus Berlin. Die junge solidarische Landwirtschaft setzt bewusst auf regional biozyklisch-vegan angebautes Gemüse und vertreibt dieses an Mitglieder wöchentlich als Gemüsekisten. Weiterhin setzt sich der Verein Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. für die Verbreitung, Förderung und den Aufbau zukunftsfähiger, kreislauforientierter und vegan ausgerichteter Form der Landwirtschaft ein. Sie fungieren auch als Beratungs- und Kontrollstelle für Biobetriebe die ihre Landwirtschaft umstellen möchten oder Produkte bio-vegan kennzeichnen wollen. Außerdem vertreiben sie über ihren Onlineshop „Möhre ohne Mist“ biozyklisch-vegan angebautes Gemüse das nach Hause geliefert wird.
Zusammenfassend kann gesagt werden: um eine erfolgreiche und ertragreiche Landwirtschaft zu betreiben ist die Tierhaltung nicht mehr nötig. Der gegenteiligen Ansicht sind nämlich noch der Großteil aller Landwirte, auch die Bio-Betriebe. Aber diese vegane Form der Landwirtschaft ist die, die Zukunft hat. Sie versorgt uns mit genug Lebensmitteln und schont die Umwelt nachhaltig, etwas das wir bei den anstehenden ökologischen Krisen dringend benötigen. Unser Trinkwasser wird immer weiter durch Nitrat verschmutzt, wir züchten in der Massentierhaltung antibiotikaresistente Keime die dann auf unserem Gemüse landen und zur gesundheitlichen Bedrohung werden. Unsere Böden laugen aus und geben immer weniger Nährstoffe her, die Insekten sterben unter den Pestiziden und auch wir Menschen nehmen Schaden daran. Wir alle tun also gut daran den biozyklisch-veganen Anbau von Lebensmitteln zu fördern und zu fordern, für uns und unsere Erde und unsere gemeinsame Zukunft darauf.