Mir ist eine Ausgabe der GEO in die Hände gefallen. In einem Interview plädiert der Philosoph Harald Lemke dort für eine „gastrosophische Revolution“. Essen ist keine Privatangelegenheit, vielmehr ein politischer Akt! Viva-la-Revolition!
Der Gastrosoph beschäftigt sich bewusst mit seinem Essen, denn mit unserer Ernährung hinterlassen wir Spuren und geben ein politisches Statement. Was bei dem Veganer offenkundig in die Welt gepriesen wird und revolutionär anmutet, wird bei dem Fleischesser inzwischen als normal angesehen. Nichtsdestotrotz ändert dies nichts an der Tatsache, dass jeder der isst auch mit der Welt interagiert – Klimawandel, Alltagskultur, Gesundheit oder Gentechnik. Indirekt haben wir vieles in der Hand. Mit der bewussten Auseinandersetzung damit werden auch wir zum Gastrosophen, egal wie wir uns entscheiden.
Der Veganer neigt zur Stigmatisierung des Fleischkonsums als grundsätzlich schlecht und böse. Die breite Masse wird mit dieser Einstellung nicht erreicht und damit auch nicht überzeugt. Ein vernünftiger Umgang und das Bewusstwerden des eigenen Tuns sollte in der Mitte des Handelns stehen, um einen breiten öffentlichen Konsens zu erreichen. Anderweitig wird die Ethik und Tugend sich selbst im Wege stehen und das Ziel rückt in weite Ferne.
Letztendlich ändert das aber nichts an der Tatsache, dass eine ethisch wertvolle fleischlose Ernährung zu befürworten ist. Eine schmackhafte Küche braucht kein Fleisch. Die Auseinandersetzung mit neuen Lebensmitteln ist dafür notwendig. Nicht nur für unsere täglichen Gaumenfreuden, sondern auch für die Menschheit im Allgemeinen. Wir müssen wieder aus alten Kulturen lernen, denen Fleisch nicht als Hauptnahrungsmittel zur Verfügung stand.
In den Köpfen der Menschen verbleibt Fleisch als Statussymbol, Erbe eines aristokratischen Privilegs. Während Rauchen als gesundheitsschädlich und volkswirtschaftlich teuer sanktioniert wird, Steuern erlassen und Werbeverbote ausgesprochen werden, passiert dies bei Fleisch nicht. Dabei läge ein vernünftiges Maß bei deutlich weniger als den heute durchschnittlich 60 kg Fleischkonsum pro Person und Jahr. Die gesellschaftlichen Kosten und die gesundheitlichen Konsequenzen unterschieden sich wahrscheinlich wenig, aber auch weniger offensichtlich.
Ein „Zurück zum Sonntagsbraten“ ist gefragt. Niemals haben wir verhältnismäßig weniger für unsere Nahrung ausgegeben als heute. Die Werte haben sich hin zu allgemeinem Konsum, an Stelle von qualitativ hochwertiger Ernährung verschoben. Geld wird lieber für teure Mobilgeräte, als für Essen ausgegeben. Den wahren Preis spiegeln die Lebensmittelpreise allerdings nicht. Irgendwann wird die Rechnung für Umweltverschmutzung und Wasserverbrauch auf uns zurückkommen, auch wenn die Kosten derzeit die günstigen Preise von Fleisch nicht wiedergeben.
Dabei hätten wir als Konsument die Macht etwas zu ändern. Wir entschieden an der Supermarktkasse über unsere Wirtschaft und Umwelt. Immer dann wenn wir einem ökologisch verträglichen Produkt den Vorrang geben, dann haben wir wie an der Wahlurne abgestimmt… aber auch wenn wir auf Günstig setzen.
Mit der bewussten Auseinandersetzung unseres eigenen kulinarischen Tuns wird die zu treffende Entscheidung zunehmend offensichtlicher. Unsere Gesellschaft fängt gerade in den letzten Jahren an zu wählen: Öko, Bio, Slow-Food, Fairtrade, vegan, Urban-Gardening, regionale Produkte, Biokisten sind Zeichen einer gastrosophischen Revolution – Sie hat begonnen!
Anmerkung: Ich hoffe den Gedanken von Herrn Lemke in meiner Zusammenfassung – notgedrungen mit Ergänzung eigener Gedanken – des in der März-Ausgabe 2015 der GEO abgedruckten Interviews „Wieso haben Sie unser Essen satt, Herr Lemke?“ gerecht geworden zu sein.