Es ist verwunderlich: der Trend zeigt, dass die Kinder in den europäischen Mittelmeer-Regionen immer mehr an Gewicht zu legen. Wie passt das zusammen mit der als so gesund gepriesenen Mittelmeer-Diät? Eine aktuelle Studie des JAMA Pediatrics Fachmagazins zeigt diese erstaunlichen Ergebnisse in einer Meta-Analyse von 1999-2016.
Überall werden Kinder dicker
In der Studie wurden 103 Studien analysiert die insgesamt 477 620 Kinder im Alter von 2 bis 13 Jahren in 28 europäischen Ländern umfassen. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass Übergewicht und Fettleibigkeit bei allen europäischen Kindern zugenommen hat und zwar von 1999 bis 2006 und von 2011 bis 2016. Und leider waren die dicksten Kinder Europas ausgerechnet in den Mittelmeerregionen zu finden: hier sind 30 Prozent der Kinder übergewichtig. Jedes zehnte Kind ist krankhaft fettleibig und hat damit ein hohes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Der europaweite Durchschnitt liegt bei 21 Prozent übergewichtige Kinder und 6 Prozent Fettleibigkeit.
Sind das Argumente gegen die Mittelmeerkost?
Nein, denn die Fettleibigkeit liegt nicht an der mediterranen Ernährung der Kindern, sondern an der Abweichung von diesem Speiseplan. In der traditionellen Mittelmeer-Kost wird viel Obst, Gemüse, Nüsse und Fisch gegessen, doch in Italien ernähren sich beispielsweise nur noch 5 Prozent der Kinder strikt nach diesen Regeln. Die Mehrheit der Kinder aß regelmäßig Süßigkeiten und industriell hergestelltes Gebäck.
Armut als treibende Kraft
Die Forscher der Analyse vermuten, dass die um sich greifende Armut verantwortlich ist für die steigende Zahl der übergewichtigen Kinder. Gerade die Länder des Mittelmeerraums waren von der Finanzkrise 2007 stark betroffen. So nahm zwischen 2005 und 2010 der Anteil der armutsgefährdeten Kinder in den Regionen von Griechenland, Zypern, Malta, Italien und Spanien zu: von 21 auf 24 Prozent. 2010 lebten gut 11 Prozent der Kinder bei arbeitslosen Eltern, das ist ein Anstieg um 7 Prozent. Allgemein ist bekannt, dass Armut oft mit einem ungesunden Lebensstil einhergeht, wie schlechte Ernährung und Bewegungsmangel. Auch in Deutschland sind Kinder aus sozial schwächeren Familien viermal so häufig fettleibig wie gleichaltrige Kinder aus Familien mit hohem Einkommen.
Gesundheit und Einkommen sind eng verzahnt
Es macht den Anschein, dass das alleinige Vorhandensein von ernährungstechnisch günstigen Optionen nicht ausreicht. Wie sich Menschen ernähren und warum sie welche Optionen nutzen ist viel komplexer als die Verantwortung dem Konsumenten zu überlassen. Grundsätzlich ist in Europa eine Stagnation und sogar leichte Rückläufigkeit der Fettleibigkeit bei Kindern zu beobachten. Die Wissenschaftler führen das auf ein gesteigertes Bewusstsein der Konsumenten zurück, sowie auf mehr Angebote zur Bewegungsförderung. Auch die Aufklärung über die Risiken von Übergewicht scheint dazu zu führen, dass die Zahlen nicht weiter ansteigen.
Ob alleine das Bewusstsein ausreicht bleibt fraglich, denn auch die wirtschaftliche Situation hat augenscheinlich einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung. Und das in einem vielleicht größeren Maße als bisher angenommen. Die betroffenen Länder sind wirtschaftlich nicht in völliger Armut. Sie stecken lediglich in einer Krise und das kann grundsätzlich jedem Land passieren. Auch das sollte verantwortliche Politiker hellhörig machen, wenn wir langfristig eine gesündere Bevölkerung haben wollen. Gesunder Ernährung muss jeder Familie zugänglich gemacht werden, egal in welcher finanziellen Situation sich diese befindet.