Pilze sind faszinierend. Sie zählen weder zu den Pflanzen, noch zu den Tieren und haben somit ihre eigene Klassifikation als drittes Reich der eukaryotischen Lebewesen. Pilze gehen mit gut 90 Prozent aller Pflanzenarten eine Symbiose ein und ermöglichen ihnen eine verbesserte Versorgung mit Wasser und Nährstoffen. Nur durch die Pilze, so die Vermutung, konnten die Pflanzen das Land als Lebensraum erschließen.
Für uns Menschen sind Pilze vor allem ein schmackhaftes Lebensmittel geworden, zumindest die essbaren Speisepilze. Sie sind eines der wenigen Lebensmittel das natürliches Vitamin D enthält. Zudem sind sie eine wertvolle Eiweißquelle, enthalten viel Kalium und Phosphor, sowie Eisen, Niacin und Vitamin B2. Sie bestehen zu dreiviertel aus Wasser und kaum Fett, dafür viele Ballaststoffe, die die Darmtätigkeit anregen und vor Krebs und anderen Darmkrankheiten schützen.
300g Pilze pro Woche schützen das Gehirn
Aber sie können noch viel mehr, wie eine sechsjährige Studie aus Singapur herausfand. Bei dieser Studie von 2011-2017 wurden Daten von mehr als 600 in Singapur lebenden chinesischen Senioren über 60 Jahren gesammelt. Es konnte festgestellt werden, dass Senioren, die mehr als zwei Portionen Pilze pro Woche konsumierten, eine um 50 Prozent reduzierte Chance auf eine leichte kognitive Beeinträchtigung haben können. Eine Portionsgröße wurde definiert als drei Viertel einer Tasse gekochter Pilze, im Schnitt wog die Portion etwa 150 Gramm. Aber selbst eine kleinere Portion Pilze pro Woche kann vorteilhaft sein, um die Chance auf eine kognitive Beeinträchtigung zu verringern.
Eine leichte kognitive Beeinträchtigung (engl. mild cognitiv impairment, MCI) kann ein Vorstadium einer Demenz sein. In der Regel sind Menschen mit MCI in der Lage ihre normalen täglichen Aktivitäten auszuüben. Sie zeigen aber oft eine Form von Gedächtnisverlust oder Vergesslichkeit und können auch ein Defizit in anderen Funktionen wie Sprache, Aufmerksamkeit und visuelle Fähigkeiten aufweisen. Die neuropsychologischen Leistungen von Menschen mit MCI liegen unter den für die jeweilige Alters- und Bildungsstufe üblichen Leistungen. Man geht davon aus, dass Menschen mit MCI pro Jahr um 10-20 Prozent in die Demenz übergehen.
Alle Pilzarten scheinen zu schützen
In der Studie führten die Forscher umfangreiche Interviews und Tests mit den Senioren durch, um eine genaue Diagnose zu stellen. Dabei berücksichtigt wurden demographische Informationen, Krankengeschichte, psychologische Faktoren und Ernährungsgewohnheiten. Es wurde Blutdruck, Gewicht, Größe, der Handdruck und die Gehgeschwindigkeit gemessen, sowie ein einfacher Screen-Test über Kognition, Depression und Angst durchgeführt. Danach wurde eine zweistündige neuropsychologische Standardbeurteilung und eine Demenzbewertung durchgeführt. Diese Gesamtergebnisse wurden intensiv mit den an der Studie beteiligten Psychiatern diskutiert, um einen diagnostischen Konsens zu erzielen. Die Forscher glauben, dass es eine bestimmte Verbindung in Pilzen gibt, die dafür sorgt, dass Pilzesser ein reduziertes Risiko für MCI haben. Dabei haben sie das Ergothionein (ET) im Auge, es ist ein einzigartiges Antioxidansmittel und Entzündungshemmer, das der Mensch nicht selbst herstellen kann, sondern aus Lebensmitteln gewinnen muss. Die Hauptquelle hierfür sind Pilze. Dabei ist es wahrscheinlich egal um welche Pilze es sich handelt. Die Probanden der Studie konsumierten Pilze die üblicherweise in Singapur verzehrt werden: Zitronenseitlinge, Austernpilze, Shiitake, weiße Champignons und getrocknete und konservierte Pilze.
Ernährung als Prävention weiter im Fokus
Frühere Studien des Teams an älteren Singapurern ergab beispielsweise, dass die Plasmaspiegel von ET bei Teilnehmern mit MCI signifikant niedriger waren als bei anderen dem Alter entsprechend gesunden Probanden. Die Forscher gehen davon aus, dass ein Mangel an ET ein Risikofaktor für Neurodegeneration sein könnte. Eine erhöhte Aufnahme von ET durch Pilze könnte somit die kognitive Gesundheit fördern. Dennoch haben die Wissenschaftler die Vermutung, dass noch weitere Verbindungen von Vorteil sein können, die die Neurodegeneration verringern, in dem sie die Synthese von Nervenwachstumsfaktoren fördern. Als nächsten Schritt wollen die Forscher eine Studie durchführen, die eine reine Verbindung von ET und anderen pflanzlichen Inhaltsstoffen (sogenannte Phytonährstoffe) auf deren Wirksamkeit bei der Verzögerung des kognitiven Abbaus zu bestimmen. Langfristig möchte das Team noch weitere Ernährungsfaktoren identifizieren, die mit einem reduziertem Risiko für altersbedingte Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Wir dürfen also gespannt bleiben auf weitere, neue Erkenntnisse. Und bis dahin: Pilze essen nicht vergessen.