Einmal im Jahr fragt die Regierung nach den Essgewohnheiten ihrer Bevölkerung und jedes Jahr werden die Ergebnisse etwas besser – es scheint als ernähren sich die Deutschen immer gesünder und nachhaltiger. Doch ist das „Deutschland, wie es isst“ tatsächlich auch das Deutschland, wie es ist oder doch eher das Deutschland, wie es gerne wäre und essen würde?
Die frohe Kunde des Ernährungsberichts
Auch im Jahr 2019 steht der Ernährungsbericht unter dem Motto „Deutschland, wie es isst“, und gleich zu Beginn verkündet die Ernährungsministerin Julia Klöckner stolz: „Wir Deutschen essen und kaufen immer bewusster ein. Wir achten beim Einkauf immer mehr auf Siegel, die uns auf einen Blick zeigen, ob ein Produkt ökologisch, fair oder tierwohlgerecht produziert worden ist.“ Beim Essen kommt es neun von zehn Deutschen (91 %) darauf an, dass das, was sie essen, gesund ist. Immerhin sieben von zehn Befragten ist eine artgerechte Tierhaltung (70 %) und ein schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen (68 %) wichtig. Genauso viele (71 %) essen jeden Tag Obst und Gemüse. Immer weniger vertilgen hingegen täglich Fleisch: Vor zwei Jahren waren es noch 34 Prozent und vor einem Jahr 30 Prozent, heute isst noch gut jeder Vierte (28 %) täglich Fleisch- oder Wurstwaren. Fast dreimal so viele Deutsche (74 %) haben sogar vor noch weniger Fleisch zu essen.
Die Kluft zwischen Wunsch und Realität
Am Fleisch schneidet sich die schöne heile Welt des Ernährungsberichts – und Zahlen, die so erfreulich sind, das man sie kaum glauben kann, treten hervor: Jeder zweite Deutsche erklärt sich bereit für ein Kilo Fleisch bis zu fünf Euro mehr zahlen zu wollen, wenn es besonders tierfreundlich hergestellt wurde. Jeder Fünfte gibt sogar an bis zu 20 Euro für einen Kilo tierfreundliches Fleisch zu zahlen. Nirgends im Ernährungsbericht ist sie größer, die Kluft zwischen Wunsch und Realität – zwischen dem, was man bei Umfragen sagt, und dem, was man danach im Leben tut. Im Supermarkt vor der Fleischtheke werden wohl die wenigsten fünf oder gar zehn Euro mehr für ein Kilo Fleisch bezahlen. Der Griff zum günstigen Fleisch geht einfach leichter von der Hand. Sogar der Chef des Meinungsinstitut Forsa,Manfred Güllner, der die Ergebnisse gemeinsam mit der Ernährungsministerin vorstellte, gibt zu Bedenken: „Wir wissen, dass das gesagt wird, aber nicht getan wird!“
Seit Jahren sagen neun von zehn Deutsche, dass ihnen gesundes Essen wichtig ist, doch die Zahl der Menschen mit Übergewicht ist alarmierend. Heutzutage leidet fast die Hälfte der Frauen, sechs von zehn Männern und jedes siebte Kind in Deutschland an Übergewicht – einer Krankheit, die vor allem zwei Ursachen hat: Zu wenig Bewegung und eine falsche Ernährung. Bei Umfragen gibt man sich gerne galant – man erzählt das, was die Leute hören möchten – die freuen sich zu bekommen, was sie wollten, und man selbst steht in einem besseren Licht. So kommt es, dass Dinge häufig besser erscheinen als sie sind. Und ganz ehrlich, wer würde denn sagen, dass er nicht versucht sich gesund zu ernähren: Das würde ja bedeuten, dass man sich absichtlich etwas Schlechtes antut.
Was den Deutschen beim Essen wichtiger ist als die Gesundheit
Es gibt eben noch eine Sache, die beim Essen wichtiger ist als die Gesundheit – und das ist der Geschmack: 99 Prozent der Deutschen bestätigen das im Ernährungsbericht. Und was schmeckt den Deutschen am besten? Braten, Schnitzel und Gulasch. Um das zu essen, was einem schmeckt, ist man eben auch günstiges Fleisch. Wenn es drauf ankommt, sind gesunde Ernährung, Tierwohl und umweltfreundliche Produktion einfach doch nicht so wichtig wie der Geschmack.