Der Geflügelhersteller Wiesenhof gibt sich auf seiner Internetpräsenz als wahres Vorzeigeunternehmen. Nachhaltigkeit und soziale Standards scheinen wichtig und fest im Unternehmen verankert. Wenn man etwas tiefer recherchiert, so erhält man so manches Dokument auf der Seite, welches einem zu Denken aufgibt.
Insbesondere handelt sich dabei um den sozialen „Verhaltenskodex“, welchen sich der Geflügelgigant selbst auferlegt hat. Was das Folgende mit sozialer Verantwortung zu tun hat, das mag man nur erahnen können. Man bekommt aber immerhin einen guten Einblick, wie wichtig die soziale Verantwortung bei Wiesenhof tatsächlich ist.
Sozial nach Wiesenhof ist Mindeststandard
Wir erlauben uns hier ein paar Zitate des Verhaltenskodex von Wiesenhof präsentieren zu dürfen.
Unter dem Punkt „Vergütung“ finden wir folgende Aussage: „Die Löhne für reguläre Arbeitszeiten, Überstunden und Überstundenausgleich müssen den gesetzlichen Mindestlöhnen bzw. Industriestandards entsprechen bzw. diese übersteigen. Es dürfen keine illegalen oder unerlaubten Lohnabzüge oder Lohnabzüge als Strafmaßnahme vorgenommen werden.“
Hier steht sinngemäß: Wir müssen uns bezüglich der Vergütung an die Gesetze halten und dürfen unsere Mitarbeiter nicht ausbeuten. Sollte das nicht selbstverständlich sein? Macht aber nichts, es wir ja noch besser.
Mehr als 60 Wochenarbeitsstunden sind vertretbar
In Bezug auf die „Arbeitszeit“ sind die sozialen Standards fast schon… naja, seht selbst: „Es gelten die maximal zulässigen Wochenarbeitsstunden entsprechend der nationalen Gesetzgebung, jedoch dürfen 48 Stunden nicht regelmäßig überschritten werden.“
Was im ersten Blick noch ganz gut klingt, das wird im weiteren Satz bereits wieder ausgehebelt: „Pro Woche dürfen nicht mehr als 12 Überstunden geleistet werden.“
Falls diese 12 Überstunden pro Woche aber nicht reichen sollten, so hat man sich in Satz 3 noch eine kleine Hintertür offengelassen: „Zusätzliche Überstunden sind nur zulässig, wenn sie aus kurzfristigen betrieblichen Gründen erforderlich und durch eine kollektivrechtliche Regelung erlaubt sind.“
Naja, immerhin dürfen die Angestellten nicht dauerhaft mehr als 60 Stunden die Woche für den Mindestlohn arbeiten, sondern es darf nur für wenige Wochen geschehen. Sozial schaut anders aus.
Kinderarbeit sozial solange sie nicht der Sklaverei ähnelt
In Bezug auf den Kodex zum Thema Kinderarbeit ist mir leider nicht ganz klar, was Wiesenhof mir hier sagen möchte. Der erste Satz klingt noch gut: „Kinderarbeit ist gemäß den Bestimmungen der Konventionen der ILO und der Vereinten Nationen und/oder der nationalen Gesetzgebung verboten.“
Wenn ich aber Kinderarbeit bei mir verbiete, also keine Kinder auf meinen Betrieben arbeiten dürfen, warum brauche ich dann folgenden Nachsatz? „Arbeitsbedingungen, die denjenigen der Sklaverei ähneln oder der Gesundheit der Kinder schaden, sind verboten.“
Man beachte bitte die Wortwahl. Solange ich Kinder nicht wie Sklaven gehalten werden und Schäden davontragen, scheint es ja noch eine Hintertür zu geben.
Soziale Verantwortung nach Wiesenhof
Auf der Unterseite zur sozialen Verantwortung bei Wiesenhof steht direkt als erste Überschrift „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut“. Wenn ich mit dem Wichtigsten was ich habe so umgehe, dass ich gerade nicht mit dem Gesetz in Konflikt komme, dann scheint das Verständnis für Ethik und Moral nicht weit zu sein.
Immer wieder macht Wiesenhof Schlagzeilen, dass er seine Mitarbeiter nicht ordentlich behandelt. So deckte das ZDF-Magazin Frontal21 schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne von polnischen Gastarbeitern auf. Diese arbeiteten für 3,50 EUR, was nichts mit dem im Rahmen des Verhaltenskodex festgesetzten Mindestlohn zu tun hat. S
Man bedenke das der Verhaltenskodex aus dem Jahr 2011 stammt, Frontal21 den Skandal aber 2017 aufgedeckt hat. Der Verhaltenskodex ist scheinbar nicht das Papier wert auf dem er geschrieben ist. Man verpflichtet sich zu nicht viel mehr als nicht straffällig zu werden, aber selbst das scheint für Wiesenhof eine nicht einzuhaltende Hürde zu sein.